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Straßenrechtliches Vorgehen gegen "Passantenstopper"

OVG Schleswig, Beschluss vom 08.07.2009 - Az.: 4 LA 45/09

Leitsätze:

1. In die Entscheidung über eine Sondernutzungserlaubnis für eine innerstädtische Straße dürfen auch Belange des Straßenumfeldes, etwa der Schutz des Straßenbildes und des Ortsbildes einbezogen werden, soweit ein sachlicher Bezug zur Straße besteht. (Leitsatz des Herausgebers)

2. Die Planungshoheit gibt einer Gemeinde das Recht, in einem weiten Umfang über das Erscheinungsbild insbesondere ihrer zentralen Straßen und Plätze zu bestimmen, der nur durch das Willkürverbot begrenzt wird. Sie kann ihr Ermessen dabei durch generalisierende Regelungen binden. (Leitsatz des Herausgebers)

3. Werbeaufsteller (sogenannte Passantenstopper) sind geeignet, das Straßen- und Ortsbild einer Altstadt zu beeinträchtigen. Eine Regelung, nach der das Aufstellen von "Passantenstoppern" dort generell nicht erlaubt wird, ist daher zulässig. Dies gilt auch, wenn die Erteilung von Sondernutzungserlaubnissen für Warenverkaufsstände grundsätzlich möglich bleibt. (Leitsatz des Herausgebers)

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Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist nicht begründet.

Die Klägerin wendet sich gegen den Widerruf einer Sondernutzungserlaubnis für die Aufstellung einer Werbetafel auf einem öffentlichen Gehweg.

Die von der Klägerin geltend gemachten Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 VwGO liegen nicht vor. Nach den Darlegungen des Zulassungsantrages bestehen weder ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) noch weist die Rechtssache besondere tatsächliche und rechtliche Schwierigkeiten auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO), noch ist die Rechtssache von grundsätzlicher Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

1) Das Verwaltungsgericht hat ausgeführt, dass im Rahmen der Entscheidung über die Erteilung oder den Widerruf einer Sondernutzungserlaubnis in die Ermessensausübung auch Belange des Umfeldes der Straße, zum Beispiel der Schutz des Straßenbildes und des Ortsbildes sofern sie einen sachlichen Bezug zur Straße haben eingestellt werden können. Es bedürfe insoweit eines konkretisierten stadtbildgestaltenden Willens der Gebietskörperschaft. Eine solche Willensbildung liege im Hinblick auf die Lübecker Altstadt, ein UNESCO-Weltkulturerbe, auf Grund der Beschlüsse der Bürgerschaft und des Bauausschusses vor, nach denen zukünftig keine Erlaubnisse für das Aufstellen von Werbeaufstellern in der Lübecker Altstadt erteilt werden, noch bestehende Erlaubnisse für die Zukunft zu widerrufen und ungenehmigte Werbeaufsteller zu entfernen sind. Dem ist zuzustimmen. Auch der Zulassungsantrag tritt dem nicht entgegen.

Dem Verwaltungsgericht ist weiterhin darin zu folgen, dass der Beklagten im Rahmen ihrer Planungs- und Gestaltungshoheit in einem weiten Umfang freigestellt ist, das Erscheinungsbild insbesondere ihrer zentralen Straßen und Plätze (hier in der Altstadt) zu bestimmen und die straßenrechtliche Gestaltungsfreiheit ihre Grenze nur im Willkürverbot findet, die nicht überschritten ist, weil die Feststellung der Beklagten, dass sowohl das Stadtbild als auch der Verkehr durch die zahlreichen aufgestellten Schilder leide, eine plausible und nachvollziehbare Erwägung darstellt und die (generelle) Nichterteilung von Sondernutzungserlaubnissen zur Aufstellung von sogenannten Passantenstoppern beziehungsweise der Widerruf erteilter Sondernutzungserlaubnisse auch im Falle der Klägerin objektiv geeignet ist, das angestrebte Ziel zu erreichen.

Daraus folgt zugleich, dass es eines weiteren Eingehens auf die vom Zulassungsantrag genannten Fragestellungen, ob Werbeaufsteller geeignet seien, das Straßen- und Ortsbild zu beeinträchtigen und von welcher Intensität ein Eingriff durch Werbeaufsteller in qualitativer und quantitativer Hinsicht sein müsse, in Anbetracht des weiten Gestaltungsspielraums nicht ankommt.

Es liegt auch kein Ermessensausfall vor. Die Beklagte hat sich durch die Beschlüsse der Bürgerschaft und des Bauausschusses in zulässiger Weise in ihrer Ermessensausübung gebunden, indem sie eine generalisierende und typisierende Regelung im Hinblick auf die Aufstellung von Werbeträgern getroffen hat. Die Regelung ist auch nicht unverhältnismäßig oder gleichheitswidrig. Das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb (Art. 14 GG) gibt keinen Anspruch auf Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis. Werbemöglichkeiten verbleiben auch dann, wenn die Aufstellung von Werbetafeln im öffentlichen Gehwegbereich nicht ermöglicht wird. Damit, dass die Klägerin diese Möglichkeiten ausgeschöpft hat, lassen sich weitergehende Ansprüche ebenso wenig begründen wie mit dem Umstand, dass sich das Geschäftslokal der Klägerin im Obergeschoss befindet. Letzteres beruht auf ihrer eigenen freien Entscheidung. Die generalisierende und typisierende Regelung trägt wie schon das Verwaltungsgericht ausgeführt hat zur Sicherstellung des Gleichbehandlungsgebotes (Art. 3 Abs. 1 GG) bei. Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang Warenverkaufsstände anführt, für die Sondernutzungserlaubnisse erteilt werden, handelt es sich um unterschiedliche Sachverhalte, auch wenn Warenverkaufsstände gleichzeitig werbenden Charakter haben. Auch insoweit ist der Beklagten im Rahmen ihrer Gestaltungsfreiheit ein weiter Ermessensspielraum zuzubilligen, in den das angerufene Gericht nicht eingreifen darf.

2) Tatsächliche und rechtliche Schwierigkeiten weist die Rechtssache nach dem vorher Gesagten nicht auf. Das Verwaltungsgericht hat zudem seine Entscheidung auf die insoweit einschlägige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und der Obergerichte gestützt, der auch der Senat folgt. Der Durchführung eines Berufungsverfahrens bedarf es daher nicht.

3) Schließlich sind die von der Klägerin aufgeworfenen Fragen, ob Werbeaufsteller geeignet sind, das Straßen- und Ortsbild zu beeinträchtigen und wenn ja, in welcher Intensität ein Eingriff durch Werbeaufsteller in qualitativer und quantitativer Hinsicht gegeben sein müsse, um eine solche Beeinträchtigung annehmen zu können und ob eine solche Beeinträchtigung auch dann gegeben ist, wenn andere Beeinträchtigungen (hier durch Warenverkaufsstände) wesentlich überwiegen und diese anderen Beeinträchtigungen bestehen blieben, nicht von grundsätzlicher Bedeutung. Dass Werbeaufsteller geeignet sind, das Straßen- und Ortsbild zu beeinträchtigen, insbesondere wenn sie in einer Altstadt aufgestellt werden, die als UNESCO-Weltkulturerbe anerkannt ist, steht für den Senat außer Frage. Auf die Intensität der Beeinträchtigung kommt es nicht an. Dies zu beurteilen, obliegt der Beklagten im Rahmen ihrer Gestaltungsfreiheit. Wirksam kann derartigen Verunstaltungen nur mit einer generellen Regelung begegnet werden. Mögliche Beeinträchtigungen des Ortsbildes durch Warenverkaufsstände sind nicht vergleichbar, sodass daraus ein Anspruch auf Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis zur Aufstellung von Werbeträgern ohnehin nicht hergeleitet werden kann.