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Anspruch auf Aufnahme in eine Freiwillige Feuerwehr?

VG Stuttgart, U vom 28.04.1994 - Az.: 9 K 3086/93

Leitsätze:

1. Wer sich um die Aufnahme in eine Freiwillige Feuerwehr bewirbt, hat zwar regelmäßig keinen Anspruch auf Aufnahme, wohl aber auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über seinen Antrag, der sich aus Art. 33 Abs. 2 GG ergibt. (Leitsatz des Herausgebers)

2. Ausnahmsweise kann ein Anspruch auf Aufnahme bestehen, wenn die Gemeinde keine Ablehnungsgründe vorbringen kann und die Aufnahme auch nicht dazu führt, dass andere Bewerber abgewiesen werden müssen. (Leitsatz des Herausgebers)

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Gründe

Die zulässige Klage ist begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten, denn sie hat einen Anspruch auf Verpflichtung der Gemeinde, sie in die Freiwillige Feuerwehr aufzunehmen (§ 113 Abs. 5 VwGO).

Rechtsgrundlage für die Aufnahme in die Freiwillige Feuerwehr ist § 10 FwG. Nach § 10 Abs. 1 FwG können in die Gemeindefeuerwehr aufgrund freiwilliger Meldung als ehrenamtlich Tätige Personen aufgenommen werden, die

1. das 18. Lebensjahr vollendet haben,

2. den gesundheitlichen Anforderungen des Feuerwehrdienstes gewachsen sind,

3. einen guten Ruf besitzen,

4. sich zu einer längeren Dienstzeit verpflichten und

5. nicht nach § 10 Abs. 2 FwG ungeeignet zum Dienst in der Gemeindefeuerwehr sind.

Nach § 10 Abs. 2 FwG sind ungeeignet zum Dienst in der Gemeindefeuerwehr Personen, die

1. infolge Richterspruchs die Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter nicht besitzen,

2. Maßregeln der Besserung und Sicherung gemäß § 61 StGB mit Ausnahme der Nr. 5 (Entziehung der Fahrerlaubnis) unterworfen sind oder

3. entmündigt oder unter vorläufige Vormundschaft gestellt sind.

Eine verfahrensmäßige Regelung befindet sich in § 10 Abs. 3 FwG. Danach entscheidet über die Aufnahme der Feuerwehrausschuss. Besteht ein Abteilungsausschuss, ist dieser zu hören. Ein Rechtsanspruch auf Aufnahme besteht nicht. Eine Ablehnung ist dem Gesuchsteller schriftlich mitzuteilen.

Hieraus folgt in Verbindung mit Art. 33 Abs. 2 GG bei Vorliegen der genannten Voraussetzungen ein Anspruch der Klägerin zumindest auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über ihre Aufnahme. Zwar handelt es sich bei der Tätigkeit in der Freiwilligen Feuerwehr zunächst um eine ehrenamtliche Tätigkeit. Bei Ausübung ihres Dienstes werden die Angehörigen der Feuerwehr jedoch hoheitlich tätig und nehmen die der Gemeinde obliegenden Aufgaben wahr (vgl. hierzu § 7 Abs. 1 FwG). Damit handelt es sich auch bei der Tätigkeit für die Freiwillige Feuerwehr um Ausübung eines öffentlichen Amtes im Sinne von Art. 33 Abs. 2 GG.

Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 FwG liegen in der Person der Klägerin vor. Die Klägerin hat das 18. Lebensjahr vollendet und sich zu einer längeren Dienstzeit verpflichtet (vgl. Aufnahmeantrag). Anhaltspunkte dafür, dass sie keinen guten Ruf besitzt, sind nicht vorgetragen und auch für das Gericht nicht ersichtlich. Dasselbe gilt für die Frage der gesundheitlichen Anforderungen des Feuerwehrdienstes. In diesem Zusammenhang ist festzustellen, dass sie bereits in I. als feuerwehrdiensttauglich beurteilt worden ist. Damit liegen keine Zweifel an der geistigen beziehungsweise körperlichen Tauglichkeit vor. Ferner sind auch die Ausschlusstatbestände des § 10 Abs. 1 Nr. 5 und die des Absatzes 2 Nr. 1 bis 3 FwG nicht ersichtlich.

Die von der Gemeinde aufgeführte erfüllte Sollstärke kann dem Anspruch der Klägerin nicht entgegengesetzt werden. Denn es liegt weder eine verbindlich festgesetzte Sollstärke vor, noch sind Anhaltspunkte dahingehend ersichtlich, dass sich die Gemeinde in ihrer ständigen Verwaltungspraxis an entsprechende Vorgaben gebunden sieht.

Die Feuerwehrsatzung der Gemeinde in Fassung vom 12.9.1990 sieht keine Sollstärke vor. Eine entsprechende Vorgabe des Gemeinderats hat die Gemeinde ebenfalls nicht vorgelegt. Lediglich unter Ziffer 3.3 der Gemeinderatsvorlage von 1987 wird ausgeführt, dass eine Sollstärke von 283 Aktiven als Berechnungsgrundlage (und gleichzeitig als Obergrenze) anzusetzen angemessen sei. Die Führung der Wehr halte nämlich die derzeitige Gesamt-Iststärke an Aktiven, die knapp unter dieser errechneten Sollstärke liege, für in etwa ausreichend. Eine wesentliche Erhöhung der Personalstärke werde nicht angestrebt.

Bereits hieraus ergibt sich, dass der Rahmen nicht als strikt verbindlich angesehen wird, sondern zumindest eine unwesentliche Erhöhung der Personalstärke durchaus möglich ist. Hinzu kommt, dass nach den von der Gemeinde selbst vorgelegten Unterlagen die Sollstärke der Freiwilligen Feuerwehr, insbesondere der Abteilung ..., nicht erfüllt ist. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Gemeinde bei 59 Fahrzeugsitzen für die Abteilung ... einen Schlüssel von 2,5 oder 3 als Normbesatzung zugrunde legt. Denn nach den von der Gemeinde vorgelegten Unterlagen vom 29.10.1987, die offensichtlich noch Gültigkeit haben, nachdem sie in der mündlichen Verhandlung vorgelegt und erläutert wurden, hat die Abteilung ... bei 59 Fahrzeugplätzen eine Sollstärke von 147,5. Diese ist jedoch, wie sich aus der vorgelegten Personalliste (Stand: 1.1.1994) ergibt, bei weitem nicht erreicht. Davon abgesehen, dass sich aus ihr lediglich 117 Personen entnehmen lassen, ist diese vorgelegte Liste auch mit den Listen der vergangenen Jahre abzugleichen. Es wird ersichtlich, dass in ihr nach einer überschlagsmäßigen Berechnung 22 Mitglieder enthalten sind, die dem Spielmannszug zuzurechnen sind und die nicht zu den aktiven Mitgliedern gehören. Nachdem sich somit lediglich eine Personalstärke von 92 aktiven Mitgliedern errechnet, gibt es keine objektiven Kriterien, die der Aufnahme der Klägerin entgegenstehen.

Die Klägerin hat bereits deshalb einen Anspruch auf Verpflichtung der Gemeinde, über ihren Aufnahmeantrag in ermessensfreier Weise zu entscheiden. Das Gericht sieht sich jedoch im vorliegenden Fall veranlasst, bereits die Verpflichtung der Gemeinde, die Klägerin in die Freiwillige Feuerwehr ... aufzunehmen, auszusprechen, da nur noch eine Entscheidung in dieser Form in Betracht kommt.

Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt ist der Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung. Zu diesem Zeitpunkt hat die Gemeinde keinerlei Gründe vorgebracht, die einer Aufnahme der Klägerin entgegengesetzt werden könnten. Sie hat zum einen klargestellt, wie es sich auch aus den angefochtenen Bescheiden nicht anders ergibt, dass die Tatsache des Geschlechts der Klägerin zu Recht keine Rolle spielt.

Weiterhin sind keine konkreten, der Klägerin vorzuziehenden Mitbewerber ersichtlich. Der Gesichtspunkt der Mitgliedschaft in der Jugendfeuerwehr darf nicht zu Ungunsten der Klägerin herangezogen werden, da sie selbst eine entsprechende Ausbildung in einer Jugendfeuerwehr und Erfahrungen in der aktiven Feuerwehr mit sich bringt. Würde der Grundsatz der Mitgliedschaft in der eigenen Jugendfeuerwehr immer als Grund für eine bevorzugte Aufnahme herangezogen werden, so wäre eine Freizügigkeit in der Bundesrepublik nicht mehr möglich.

Außerdem darf nicht außer acht bleiben, dass noch ein erheblicher Spielraum bei der Sollstärke besteht, so dass selbst bei weiteren Konkurrenten eine Aufnahme der Klägerin noch objektiv möglich ist. Zugunsten der Klägerin muss auch herangezogen werden, dass sie ein Gerichtsverfahren angestrengt hat und gerade zum für die Beurteilung möglichen Zeitraum der mündlichen Verhandlung kein konkreter weiterer Konkurrent ersichtlich ist.

Die Gemeinde ist deshalb zu verpflichten, die Klägerin in die Freiwillige Feuerwehr ... aufzunehmen.