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Diese Entscheidung

Hundesteuerbefreiung für Blinde nicht auf Gehörlose übertragbar

VG Karlsruhe, Urteil vom 21.03.2005 - Az.: 3 K 3481/04

Leitsätze:
Eine Gemeinde, die Hunde, die ausschließlich dem Schutz blinder oder hilfloser Personen (Merkzeichen "Bl" bzw. "H" im Schwerbehindertenausweis) dienen, von der Hundesteuer befreit, ist nicht verpflichtet, eine entsprechende Befreiung auch für Hunde Gehörloser (Merkzeichen "Gl") zu erteilen. (Leitsatz des Herausgebers)

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Volltext

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen einen Hundesteuerbescheid der Beklagten für das Jahr 2004.

Der Kläger hält einen Hund nach seinen Angaben zum Schutz und zur Hilfe, weil er links hochgradig schwerhörig und rechts taub ist. Beim Kläger wurde vom Versorgungsamt eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 90 % sowie die Merkzeichen "RF" (Rundfunkgebührenbefreiung) sowie "Gl" (gehörlos) festgestellt. Aufgrund dieses Sachverhalts war dem Kläger nach dem bis zum 31.12.1996 gültigen Hundesteuergesetz Baden-Württemberg Befreiung von der Hundesteuer für die Jahre 1991 bis 1996 gewährt worden. Nachdem nach der Hundesteuersatzung der Beklagten vom 08.10.1996, die nach Wegfall des Hundesteuergesetzes zum 31.12.1996 erlassen wurde, in § 6 Nr.1 Steuerbefreiung nur noch für das Halten von Hunden, die ausschließlich dem Schutz und der Hilfe blinder oder hilfloser Personen (Schwerbehindertenausweis Merkzeichen "Bl" oder "H") dienen, gewährt wurde, setzte die Beklagte in der Folgezeit gegenüber dem Kläger Hundesteuer fest. Eine gegen den Hundesteuerbescheid für das Jahr 1997 erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht Karlsruhe mit Urteil vom 04.08.1998 - 2 K 1440/97 - ab.

Mit Bescheid vom 20.01.2004 setzte die Beklagte die Hundesteuer für das Jahr 2004 in Höhe von 104,40 EUR fest.

Am 27.01.2004 legte der Kläger gegen diesen Bescheid Widerspruch ein: Die aktuelle Fallgestaltung sei nicht mit derjenigen, die der gerichtlichen Entscheidung 1998 zugrunde gelegen habe, vergleichbar. Denn sein Schwerbehindertenausweis enthalte nun den Vermerk: "Gl" (gehörlos). Ferner sei keine sachgerechte Begründung vorhanden, warum die Beklagte die Gehörlosen nicht in den Kreis der Steuerbefreiten einbeziehe. Die Begründung eines zu hohen und kostenintensiven Verwaltungsaufwands führe zu einer Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes. Es könne bei tauben Personen von vorneherein davon ausgegangen werden, dass der Hund zum Schutz eingesetzt werde. Es bedürfe keiner Einzelfallprüfung. Ferner sei eine gehörlose Person mit einer hilflosen Person, die das Merkzeichen "H" trage, gleichzusetzen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 01.10.2004 wies die Beklagte den Widerspruch zurück unter anderem mit der Begründung: Die unterschiedliche Behandlung von blinden oder hilflosen Personen gegenüber Gehörlosen sei sachlich begründet. Eine blinde oder hilflose Person sei nicht nur, aber insbesondere auch in der Bewegungsfähigkeit weit mehr auf fremde Hilfe angewiesen als dies bei einer gehörlosen Person der Fall sei. Eine Differenzierung zum Zwecke der Hundesteuer sei daher nicht willkürlich. § 6 Nr. 1 der Hundesteuersatzung sei mit § 33b Abs. 3 Satz 3 EStG vergleichbar, wonach hilflosen Personen und Blinden - generell jedoch nicht Gehörlosen - ein erhöhter Pauschbetrag als außergewöhnliche Belastung zuerkannt werde. Seit 01.07.2001 könne nach § 3 der Schwerbehindertenausweisverordnung Gehörlosen als Nachweis für unentgeltliche Beförderungen im öffentlichen Personenverkehr das Merkzeichen "Gl" eingetragen werden. Mit der Einführung des Merkzeichens und dem Eintrag im Schwerbehindertenausweis des Klägers sei jedoch keine Änderung des Sachverhalts verbunden. Hieraus würden keine weiteren Nachteilsausgleiche erwachsen. Eine Aufnahme von Gehörlosen in den Kreis der Begünstigten hätte zwar nicht zur Folge, dass sich die Zahl der Berechtigten unüberschaubar erhöhe. Es würde jedoch zu berechtigten Zweifelsfragen führen, weshalb andere der Hilfe vergleichbar bedürftige Personen (z. B. mit dem Merkzeichen "B" (ständige Begleitung erforderlich) oder "aG" (außergewöhnlich gehbehindert)) nicht aufgenommen würden. Eine Gleichsetzung der Merkzeichen "Gl" und "H" komme daher nicht in Betracht.

Auf den am 05.10.2004 durch Postzustellungsurkunde zugestellten Widerspruchsbescheid hin hat der Kläger am 25.10.2004 Klage erhoben. Er beantragt,

1. den Hundesteuerbescheid der Beklagten vom 20.01.2004 und deren Widerspruchsbescheid vom 01.10.2004 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihm Steuerbefreiung für das Halten des Hundes im Jahr 2004 zu gewähren;

2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet sei, eine Satzung zu erlassen, die ihm als Gehörlosen Anspruch auf Steuerbefreiung gewähre, und für den Fall des Bestehens eines solchen Anspruchs die entgegenstehenden Bescheide aufzuheben.

Die in der Hundesteuersatzung vorgenommene Beschränkung sei willkürlich und sachfremd. Der Personenkreis der Tauben mit dem Merkzeichen "Gl" sei überschaubar und begrenzt. Es bedürfe keiner Einzelfallprüfung dafür, ob die Voraussetzung des Schutzes durch den Hund für die taube Person vorliege, denn davon könne grundsätzlich ausgegangen werden. Mithin bedürfe es keines weiteren kostenintensiven Verwaltungsaufwandes, um den Steuerbefreiungstatbestand festzustellen. Bei dem Personenkreis mit dem Merkzeichen "Bl" stehe außer Frage, dass der Einsatz von Hunden hilfreich und Kosten sparend sei. Bei dem Personenkreis mit dem Merkzeichen "H" sei dies zweifelhaft. Die Zuerkennung dieser Eigenschaft setze voraus, dass die Person ständig pflegebedürftig sei. Es stelle sich die Frage, in welcher Weise bei diesen Personen der Einsatz von Hunden hilfreich sei. Bei Personen mit den Merkzeichen "G", "B" und "aG" könne dies ebenfalls nicht plausibel begründet werden. Bei diesen sei davon auszugehen, dass Hilfe durch andere Personen erfolgen müsse. Es wäre deshalb begründbar, dass Personen, die eine Behinderung mit den oben genannten Merkzeichen hätten, bezüglich der Hundehaltung nicht steuerbegünstigt wären. Dies gelte aber nicht bei gehörlosen Personen. Diese könnten zu ihrem Schutz und zu ihrer Hilfe sehr gut einen Hund einsetzen. Hier bedürfe es nicht der Hilfe einer weiteren Person. Hunde seien im Straßenverkehr einsetzbar. Sie könnten dem Gehörlosen in bestimmten Gefahrensituationen (Hupen eines Autos, Klingeln der Straßenbahn) helfen. Das Fehlen des Gehörs könne durch entsprechenden Einsatz eines Hundes ersetzt werden. Im Ergebnis sei festzuhalten, dass der Einsatz eines Hundes dann sinnvoll und notwendig sei sowie eine Kostenersparnis bedeute, wenn er eine fehlende Körperfunktion ersetze. Dies sei bei den Gehörlosen der Fall. Auch sei die Begründung, die Bewegungsfreiheit sei bei einem Gehörlosen weniger eingeschränkt als bei einem Blinden oder Hilflosen, nicht sachgerecht. Der Gehörlose sei auch auf fremde Hilfe angewiesen. Der Hinweis auf § 33b EStG gehe fehl. § 33b EStG betreffe die Vergünstigungen für Personen, die ihre Gehbehinderung durch erhöhten Einsatz von Barmitteln ausgleichen müssten. Der von der Beklagten schließlich angeführte Grund eines umfangreichen und kostenintensiven Kontroll- und Überprüfungsverfahrens zur Art der Hundehaltung gehe fehl. Die Beklagte gewähre Steuerermäßigungen bzw. Steuerbefreiungen für Hunde, die besondere Prüfungen abgelegt hätten, ohne zu prüfen, ob die Hunde auch zum Zweck des Schutzes eingesetzt würden.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie habe den Gleichheitsgrundsatz und den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz bei Ausgestaltung der Hundesteuersatzung beachtet. Nach dem Hundesteuergesetz sei im Regelfall neben Blinden und Tauben nur solchen Personen eine Steuerbefreiung eingeräumt worden, die im Schwerbehindertenausweis das Merkzeichen "H" vorweisen konnten. Dieses Verfahren sei in der Praxis oftmals schwer vermittelbar bzw. nicht immer durchsetzbar gewesen, da eine konkrete Bestimmung, welche Personen als "sonst hilfebedürftig" gegolten hätten, nicht vorgelegen habe. In § 6 Nr. 1 der Hundesteuersatzung habe man daher zur Konkretisierung nur noch Personen mit dem Merkzeichen "Bl" oder "H" aufgenommen. Gehörlose seien vom Grad der Behinderung nicht mit Blinden oder Hilflosen vergleichbar. Insbesondere in der Bewegungsfreiheit sei ein Gehörloser weit weniger auf fremde Hilfe angewiesen, als dies bei blinden oder hilflosen Personen der Fall sei. Dass inzwischen das eigene Merkzeichen "Gl" existiere, ändere daran nichts. Im Übrigen hätten Blinde auch immer das Merkzeichen "H" eingetragen, Gehörlose im Regelfall dagegen nicht. Das Ausschließen von tauben Personen sei auch nicht willkürlich, da auch andere Schwerbehinderte ohne Merkzeichen "H" gleichbehandelt und eine Steuerbefreiung nicht erhalten würden. Würden Gehörlose miteinbezogen, könne die Forderung aufgestellt werden, auch andere Schwerbehinderte in den Genuss einer Steuerbefreiung kommen zu lassen, zum Beispiel Personen mit Merkzeichen "aG", "B", "RF". Die Zahl der Steuerbefreiungen belaufe sich derzeit auf ca. 50. Eine großzügigere und erweiterte Satzungsregelung hätte diese Zahl vervielfacht. Im Hinblick auf eine verwaltungspraktikable Sachbearbeitung der Hundesteuer sei bei Satzungserstellung Wert auf möglichst wenig Vergünstigungstatbestände gelegt worden. Vom Grundsatz her solle jeder, der einen Hund halte, auch Hundesteuer zahlen. Aus Gründen einer Kosten sparenden Verwaltung müssten pauschale Regelungen zulässig sein, auch wenn im Einzelfall gewisse Härten auftreten könnten. Nach dem Gebot der Verhältnismäßigkeit der eingesetzten Mittel könne bei der Hundesteuer nicht immer die Gerechteste aller möglichen Lösungen umgesetzt werden. Ansonsten wäre ein umfangreiches Kontroll- und Überprüfungsverfahren zur Art der Hundehaltung, zur Notwendigkeit der Hundehaltung und zur Eignung der Hunde unvermeidlich. In Anbetracht der Höhe der Hundesteuer sei es nicht gerechtfertigt, medizinische Gutachten und veterinärmedizinische Beurteilungen einzuholen, deren Kosten nicht im Verhältnis zum Ertrag ständen. Auch die Regelung des § 33b Abs. 3 S. 3 EStG sei vergleichbar. Die Regelung gewähre blinden und hilflosen Personen, nicht jedoch Gehörlosen einen erhöhten Pauschbetrag als außergewöhnliche Belastung bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und auf die Akten der Beklagten (2 Bände) sowie auf die Gerichtsakte - 2 K 1440/97 - verwiesen.

Gründe

Die Klage hat keinen Erfolg.

Der Kläger hat weder einen Anspruch darauf, dass der Hundesteuerbescheid der Beklagten vom 20.01.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 01.10.2004 aufgehoben sowie die Beklagte verpflichtet wird, ihm für das Jahr 2004 Steuerbefreiung zu gewähren (1.), noch einen Anspruch darauf, dass die Beklagte verpflichtet wird, ihre Hundesteuersatzung dahingehend zu ändern, dass ihm als Gehörloser ein Anspruch auf Steuerbefreiung gewährt wird (2.).

1. Die Kammer lässt dahinstehen, ob das Klageziel des Klägers, für das Jahr 2004 keine Hundesteuer zahlen zu müssen, auch mit dem Antrag, den Hundesteuerbescheid vom 20.01.2004 aufzuheben, oder nur mit dem Verpflichtungsantrag, ihm für das Jahr 2004 Steuerbefreiung zu gewähren, zu verfolgen ist. Die in der mündlichen Verhandlung dargelegte Praxis der Beklagten, im Falle eines Anspruchs auf Steuerbefreiung für das Veranlagungsjahr die Hundesteuer auf "Null" festzusetzen, könnte auch einen Anfechtungsantrag rechtfertigen. Allerdings spricht der Wortlaut des § 6 der Hundesteuersatzung der Beklagten (vgl. auch § 155 Abs. 1 Satz 3 AO i. V. m. § 3 Nr. 4 c KAG) für einen Verpflichtungsantrag auf Befreiung als zulässigen Antrag.

Jedenfalls ist das Klagebegehren nicht begründet. Denn weder ist der Hundesteuerbescheid vom 20.01.2004, mit welchem die Hundesteuer für das Jahr 2004 auf 104,04 EUR und nicht auf Grund eines Anspruches auf Befreiung auf "Null" festgesetzt wurde, rechtswidrig, noch hat der Kläger nach § 6 Nr. 1 der Hundesteuersatzung der Beklagten vom 08.10.1996 (Amtsblatt vom 31.10.1996) einen Anspruch auf einen Freistellungsbescheid für das Jahr 2004.

Nach § 6 Nr. 1 der Hundesteuersatzung der Beklagten wird für das Halten von Hunden, die ausschließlich dem Schutz und der Hilfe blinder oder hilfloser Personen (Schwerbehindertenausweis Merkzeichen "Bl" oder "H") dienen, Steuerbefreiung gewährt. Der Kläger gehört nicht zu diesem Personenkreis. Denn in seinem Schwerbehindertenausweis sind nur die Merkzeichen "RF" (Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht) und "Gl" (gehörlos) enthalten. Soweit der Kläger der Auffassung ist, § 6 Nr. 1 der Hundesteuersatzung verstoße gegen Art. 3 GG, weil er als Gehörloser einer hilflosen Person mit dem Merkzeichen "H" gleichzusetzen sei bzw. die vorgenommene Beschränkung unter Ausschluss von Gehörlosen willkürlich und sachfremd sei, führt dies zu keiner anderen Beurteilung seines Klagebegehrens. Denn der geltend gemachte Anspruch auf Steuerbefreiung bzw. auf Festsetzung der Hundesteuer für das Jahr 2004 auf "Null" bedarf erst noch einer Rechtsgrundlage, die in Gestalt einer Satzungsnorm, die den Gehörlosen einen Anspruch auf Steuerbefreiung einräumt, zuerst einmal geschaffen werden muss. Solange dieser Personenkreis nicht von der Steuerbefreiung nach § 6 Nr. 1 der Hundesteuersatzung der Beklagten umfasst wird, steht dem Kläger kein entsprechender Anspruch zu.

Ferner war die für das Jahr 2004 festgesetzte Hundesteuer auch nicht nach § 7 Nr. 4 der Hundesteuersatzung zumindest um die Hälfte zu ermäßigen. Nach dieser Vorschrift ermäßigt sich auf Antrag die Steuer um die Hälfte für das Halten von Hunden, bei deren Haltern die Erhebung des vollen Steuersatzes aufgrund persönlicher Verhältnisse unbillig wäre. Damit soll insbesondere einem Hundehalter bei geringen Einkünften Steuerermäßigung gewährt werden (vgl. Nr. 4 der Vorlage Nr. 174/HA zur Sitzung des Gemeinderats der Beklagten am 08.10.1996). Anhaltspunkte, die eine Billigkeitsentscheidung rechtfertigen könnten, hat der Kläger nicht geltend gemacht. Allein der Umstand seiner Gehörlosigkeit stellt keine solche persönliche Unbilligkeit dar. Eine Steuerermäßigung aus Billigkeitsgründen kommt nämlich nur in Betracht, wenn die Festsetzung der Steuer nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre (vgl. § 163 Abs. 1 S. 1 AO). Für das Gericht ist nicht erkennbar, dass die Steuererhebung gerade den Kläger aufgrund seiner Behinderung in Beziehung zu anderen Abgabepflichtigen, insbesondere anderen Gehörlosen, besonders hart trifft.

2. Mit seinem sachdienlich ausgelegt als hilfsweise für den Fall der Erfolglosigkeit seines Anfechtungs- bzw. Verpflichtungsbegehrens gestellten Feststellungsantrag macht der Kläger geltend, in seinen Rechten dadurch verletzt zu sein, dass in der Hundesteuersatzung der Beklagten keine Steuerbefreiung für ihn als Gehörlosen vorgesehen ist. Dieser Antrag ist zulässig, aber unbegründet.

Die Kammer geht im Anschluss an die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 07.09.1989 - 7 C 4/89 - (NVwZ 1990, 162 = DVBl. 1990, 155) von der Zulässigkeit des Feststellungsantrags aus. Der Kläger kann sich durch sein Vorbringen, das Fehlen einer ihn begünstigenden Befreiungsregelung in der Hundesteuersatzung der Beklagten verletze ihn in Art. 3 Abs. 1 GG, auf Art. 19 Abs. 4 GG berufen. Rechtsschutz gewährleistet das Grundgesetz nicht nur gegen die mit höherrangigem Recht unvereinbaren Rechtssetzungsakte des Normgebers, es schließt Rechtsschutz auch gegen ein mit höherrangigem Recht unvereinbares normgeberisches Unterlassen ein (BVerwG, Urteil vom 07.09.1989, a. a. O. und Urteil vom 03.11.1988, BVerwGE 80, 355). Auch greift der Einwand der Subsidiarität von Feststellungsklagen nach § 43 Abs. 2 VwGO nicht durch. Denn, wie ausgeführt, bedarf der Anspruch auf Befreiung von der Hundesteuer für Gehörlose noch einer Rechtsgrundlage, die in der Gestalt einer die beanspruchte Befreiung regelnden Satzungsnorm zuerst einmal geschaffen werden muss. Gegenüber einer auf Normerlass gerichteten Leistungsklage tritt die Feststellungsklage gleichfalls nicht zurück. Das Rechtsschutzbegehren des Klägers kommt wirksam zur Geltung, ohne dass es prozessual in das Gewand einer einklagbaren "Leistung" des Satzungsgebers gekleidet werden müsste (BVerwG, Urteil vom 07.09.1989, a. a. O. ).

Der Feststellungsantrag ist jedoch nicht begründet. Das Grundrecht des Klägers aus Art. 3 Abs. 1 GG, das Gleichheit vor dem Gesetz verbürgt, gebietet der Beklagten nicht, ihre Hundesteuersatzung so zu gestalten, dass der Kläger als Gehörloser von der Hundesteuer befreit wird. Dies beruht auf folgenden Erwägungen:

§ 6 Abs. 3 KAG eröffnet den Gemeinden einen weiten satzungsgeberischen Gestaltungsspielraum zur Regelung von Steuerermäßigungen und Steuerbefreiungen. Die Gestaltungsfreiheit des Satzungsgebers endet erst dort, wo die gleiche oder ungleiche Behandlung der geregelten Sachverhalte nicht mehr mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise vereinbar ist, wo also kein einleuchtender Grund mehr für die Gleichbehandlung oder Ungleichbehandlung besteht. Nur die Einhaltung dieser äußersten Grenzen der satzungsgeberischen Freiheit (Willkürverbot) ist nachzuprüfen, nicht aber, ob der Satzungsgeber im Einzelfall die jeweils zweckmäßigste, vernünftigste und gerechteste Lösung gefunden hat. Der Satzungsgeber wird durch das Gleichheitsgebot auch nicht daran gehindert, anstelle eines individuellen Wirklichkeitsmaßstabes für die Besteuerung aus Gründen der Praktikabilität pauschale Maßstäbe zu wählen und sich mit einer "Typengerechtigkeit" zu begnügen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 06.12.1983, BVerfGE 85, 325; vgl. auch VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 02.08.1996 - 1 S 435/95 -).

Diesen Gestaltungsspielraum hat die Beklagte durch die Beschränkung der Steuerbefreiung auf Personen, die im Schwerbehindertenausweis die Merkzeichen "Bl" oder "H" eingetragen haben, nicht überschritten. Die Beklagte wollte mit ihrer Satzungsregelung den begünstigten Personenkreis aus Gründen der Verwaltungseffizienz und abgabenrechtlich gebotener Gleichmäßigkeit der Besteuerung auf wenige Ausnahmetatbestände und eine überschaubare Anzahl beschränken sowie den Tatbestand für eine Vergünstigung möglichst konkret festlegen. Wenn hierfür zur Abgrenzung des begünstigten Personkreises unter Bezugnahme auf die Merkzeichen im Schwerbehindertenausweis auf den Grad der Behinderung abgestellt und nur noch denjenigen Personen Steuerbefreiung gewährt wird, die - hilflos i.S.v. § 3 der Schwerbehindertenausweisverordnung - für eine Reihe von häufig und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen zur Sicherung ihrer persönlichen Existenz im Ablauf eines jeden Tages fremder Hilfe dauernd bedürfen (vgl. § 33b Abs. 3 Satz 3, Abs. 6 Satz 3 EStG; vgl. auch § 35 Abs. 1 Satz 5 BVG zur gesetzlichen Fiktion der Hilflosigkeit bei Blinden), ist dies sachgerecht und nicht zu beanstanden. Der Satzungsgeber hat - wie ausgeführt - einen weiten Gestaltungsspielraum. Das Ausmaß von Behinderungen kann unterschiedlich bewertet werden und hieraus können unterschiedliche Vergünstigungen eingeräumt werden. Insbesondere gebietet es der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht, den Kläger als Gehörlosen den blinden oder hilflosen Personen im Sinne der Satzungsregelung gleichzustellen. Gehörlose sind aufgrund ihrer Behinderung nicht grundsätzlich hilflos im Sinne dieser Regelung. Sie bedürfen nämlich nur bei einer Verrichtung des täglichen Lebens - nämlich bei der Kommunikation - fremder Hilfe. Zwar kann, wenn das Kommunikationsdefizit die gesamte Lebensführung prägt, die Hilfsbedürftigkeit in diesem Punkt ausreichen, um einen Gehörlosen als hilflos anzusehen. In diesem Fall ist aber in den Schwerbehindertenausweis das Merkzeichen "H" für den Gehörlosen einzutragen mit der Folge, dass er entsprechend der Satzungsregelung der Beklagten Anspruch auf Befreiung von der Hundesteuer hat. Falls jedoch das Vorliegen der Kommunikationsdefizite keine dauernde fremde Hilfe erfordert und der Gehörlose somit nicht hilflos ist, ist es aus Gründen der Gleichbehandlung nicht zu beanstanden, ihn aufgrund des Grads seiner Behinderung nicht in den Genuss der Steuerbefreiung kommen zu lassen (vgl. hierzu insgesamt: BSG, Urteil vom 10.03.2003 - B 9 SB 4/02 R -, Urteil vom 12.11.1996 - 9 RVs 9/95 - und Urteil vom 12.11.1996 - 9 RVs 5/95 ). Dies gilt auch in Hinblick darauf, dass der Gehörlose in der Satzungsregelung nicht dem Blinden gleichgestellt wird, dem eine gesetzliche Fiktion der Hilflosigkeit eingeräumt wird (vgl. § 35 Abs. 1 Satz 5 BVG; BSG, Urteil vom 23.06.1993 - 9/9 a RVs 1/91 -).

Die Einführung des Merkzeichens "Gl" (gehörlos) mit dem Inkrafttreten des SGB IX am 01.07.2001 - in Vollzug von § 145 Abs. 1 Satz 1 SGB IX - führt zu keiner anderen Beurteilung. Damit wird gehörlosen Menschen, die gemäß § 145 SGB IX zur unentgeltlichen Beförderung im Personennahverkehr berechtigt sind, ein eigenes Merkzeichen eingeräumt. Selbständige, vor allem steuerrechtliche Rechtsfolgen sind damit jedoch nicht verknüpft. Der Einführung des Merkzeichens "Gl" kommt insbesondere nicht die Bedeutung zu, dass die Hörsprachstörung mit einem besonderen eigenen Nachteilsausgleich versehen wurde, der weitgehend wirtschaftlich dem Nachteilsausgleich "H" entspricht und aus diesem Grund eine Gleichbehandlung in der Satzungsregelung der Beklagten hätte rechtfertigen können (BSG, Urteil vom 10.12.2003, a. a. O. und Urteil vom 23.06.1993, a.a.O.). Auch ist durch die Einführung des Nachteilsausgleichs "Gl" der Gehörlose nicht dem Blinden in allen Vergünstigungen gleichgestellt worden (BSG, Urteil vom 10.12.2003, a. a. O. und Urteil vom 12.11.1996, a.a.O.).

Die Befreiungsregelung in § 6 Nr. 1 der Hundesteuersatzung der Beklagten ist entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht deshalb willkürlich, weil auch der Kreis der gehörlosen Personen mit Merkzeichen "Gl" überschaubar sei und ohne Einzelfallprüfung angenommen werden könne, dass der Hund zum Zwecke des Schutzes und der Hilfe eingesetzt werde. Der Kläger übersieht, dass die Befreiungsregelung unter Bezugnahme auf die Merkzeichen im Schwerbehindertenausweis an den Grad der Behinderung, nämlich an Personen, die im Ablauf eines jeden Tages dauernd fremder Hilfe bedürfen, anknüpft. Das ist - wie bereits ausgeführt - ein im Hinblick auf das satzungsgeberische Ziel, den begünstigten Personenkreis auf wenige Ausnahmetatbestände sowie eine überschaubare Anzahl zu beschränken, sachgerechtes Kriterium. Seine Eignung hierfür wird dadurch verdeutlicht, dass auch andere Schwerbehinderte mit anderen Merkzeichen, z. B. "B" (ständige Begleitung erforderlich) oder "aG" (außergewöhnlich gehbehindert), neben den Gehörlosen eine Steuerbefreiung nicht erhalten können und somit der Kreis der Steuerbegünstigten erheblich eingeschränkt wird. So beläuft sich die Zahl der nach § 6 Nr.1 der Hundesteuersatzung Steuerbefreiten nach Angaben der Beklagten derzeit auf lediglich ca. 50 Personen. Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang geltend macht, bei dem Personenkreis mit dem Merkzeichen "H" sei im Gegensatz zu den Gehörlosen der Einsatz von Hunden nicht hilfreich im Sinne der Satzungsregelung, führt dies zu keiner anderen Beurteilung. Denn der Behörde steht es offen, bei hilflosen Personen die weitere Voraussetzung des § 6 Nr. 1 der Hundesteuersatzung für die Steuerbefreiung, dass der Hund dem Schutz und der Hilfe der hilflosen Person dient, zu prüfen. Wenn sie das Vorliegen dieser Voraussetzung - wie wohl in der gegenwärtigen Praxis - ohne Prüfung unterstellt oder diese Voraussetzung bejaht, falls der Hund eine soziale bzw. kommunikative Funktion für die hilflose Person hat, ergibt sich hieraus jedenfalls aus Gründen der Gleichbehandlung kein Anspruch des Klägers auf Einbeziehung als Gehörloser in den Befreiungstatbestand. Letztlich stellt der Kläger mit seinen Darlegungen eigene Kriterien für eine satzungsrechtliche Befreiungsregelung auf. Die Wahl der Kriterien fällt aber in den weiten satzungsgeberischen Gestaltungsspielraum der Beklagten zur Regelung von Steuerermäßigungen und Steuerbefreiungen. Hierbei ist in Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG Grenze lediglich das Willkürverbot, das vorliegend - wie aufgezeigt - nicht verletzt ist. Gleiches gilt für den vom Kläger angeführten Gesichtspunkt, dass der Einsatz eines Hundes dann notwendig und daher eine Steuerbefreiung zu gewähren sei, wenn der Hund, wie bei einem Gehörlosen, eine fehlende Körperfunktion ersetze.

Dass in anderen Gemeinden gehörlose Personen von der Hundesteuerpflicht befreit sind, gibt zugunsten des Klägers ebenso wenig etwas her, wie die seitens des Klägers vorgelegte Übersicht über Nachteilsausgleiche für behinderte Menschen des Landesversorgungsamts Baden-Württemberg, wonach Gehörlose von der Hundesteuer befreit seien. Denn die Gemeinden sind nach § 6 Abs. 3 KAG, auf dessen Grundlage die Hundesteuersatzungen erlassen werden, nicht verpflichtet, dieselben Steuersätze zu erheben. Ferner sind die Gemeinden im Rahmen ihres Gestaltungsspielraums zur Regelung von Steuerbefreiungen nicht an eine Übersicht über Nachteilsausgleiche für behinderte Menschen der Versorgungsverwaltung gebunden. Vielmehr gilt der darin gemachte Hinweis auf eine Hundesteuerbefreiung für Gehörlose nur in Gemeinden, die in ihrer Satzung eine entsprechende Regelung haben. Auch aus Art. 3 Abs. 1 GG folgt nichts anderes, da der Gleichheitsanspruch nur gegenüber dem nach der Kompetenzordnung konkret zuständigen Träger öffentlicher Gewalt besteht (vgl. BVerfGE 79, 127,158).

Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.