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Keine Wahl zum Stadtverordnetenvorsteher unter Vorsitz des letztlich Gewählten

VG Gießen, Urteil vom 14.02.2023 - Az.: 8 K 127/22

Leitsätze:

1. Eine Wahl zum Stadtverordnetenvorsteher, die durch den Kandidaten als Sitzungsleiter durchgeführt wird, der sich zur Wahl aufstellen und wählen lässt, ist wegen Widerstreit der Interessen (§ 25 HGO) ungültig. (amtlicher Leitsatz)

2. § 25 Abs. 1 HGO ist im Hinblick auf den Sinn und Zweck der Vorschrift weit auszulegen. Es reicht aus, dass das Handeln der Person objektiv geeignet ist, den "bösen Schein" zu erwecken, dass seine Tätigkeit vorrangig an persönlichen Individualinteressen ausgerichtet ist, so dass die Uneigennützigkeit der Amts- und Mandatsausübung infrage steht. (amtlicher Leitsatz)

3. Befindet sich der in das Amt des Stadtverordnetenvorstehers Gewählte wegen des Tätigwerdens als Sitzungsleiter während der Durchführung der Wahl im Widerstreit der Interessen, dann ist regelmäßig davon auszugehen, dass dieser Mangel für das Ergebnis von Bedeutung - also erheblich - gewesen sein kann (Grundsatz der "Erheblichkeit"). (amtlicher Leitsatz)

4. Eine umfassende Klärung aller die Wahl betreffenden Streitfragen, mit dem Ziel einer erneuten Anfechtung der Wiederholungswahl vorzubeugen (BVerwG, Beschluss vom 11.02.1981 – 6 P 14/80, Juris, Rn. 45), ist im erstinstanzlichen Verfahren nur dann geboten, wenn sich konkrete Anhaltspunkte dafür ergeben, dass sich mögliche weitere Fehler bei der neuen Wahl wiederholen werden. (amtlicher Leitsatz)

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https://www.rv.hessenrecht.hessen.de/bshe/document/LARE230004671