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Unzulässige Wahlwerbung durch Bürgermeister

BVerwG, Urteil vom 18.04.1997 - Az.: 8 C 5.96

Leitsätze:

1. Wahlempfehlungen zugunsten einer Partei oder eines Wahlbewerbers, die ein Bürgermeister in amtlicher Eigenschaft abgibt, werden nicht durch das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG) gedeckt. Sie verstoßen vielmehr gegen die den Gemeinden und ihren Organen durch das bundesverfassungsrechtliche Gebot der freien Wahl auch im Kommunalwahlkampf auferlegte Neutralitätspflicht. (amtlicher Leitsatz)

2. Setzen sich Bürgermeister in einer an "unsere Bevölkerung" gerichteten Zeitungsanzeige unter Hervorhebung ihrer Amtsbezeichnungen und mit Hinweisen auf dienstliche Erfahrungen für einen Kandidaten ein, so liegt eine unzulässige amtliche Wahlwerbung vor. (Leitsatz des Herausgebers)

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Volltext

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 29. November 1995 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt.

Tatbestand

I.

Der Kläger ficht die Wahl des Beigeladenen zum Landrat des Landkreises Rhön-Grabfeld an. Bei der am 6. März 1994 durchgeführten Wahl wurden 39 675 gültige Stimmen abgegeben, von denen auf den Beigeladenen 23 374 (58,91 v.H.) und auf den Kläger 1 732 Stimmen (4,36 v.H.) entfielen. Drei Tage vor der Wahl hatten 37 Bürgermeister kreisangehöriger Gemeinden in den Tageszeitungen des Landkreises eine Anzeige mit folgendem Wortlaut veröffentlicht:

"Zur Wahl des Landrates im Landkreis Rhön-Grabfeld

Wir Bürgermeister im Landkreis Rhön-Grabfeld erklären unser Interesse zur Wahl des Landrates am 6. März 1994, indem wir unsere Bevölkerung bitten, zur Wahl zu gehen. Dabei können Sie die erfolgreiche und sachbezogene Kreispolitik unseres Landrates Dr. Fritz Steigerwald mit Ihrem Votum unterstützen und unsere Dankbarkeit und Anerkennung für die erfolgreiche Arbeit während der vergangenen 18 Jahre Dienstzeit bestätigen.

Das gute Miteinander mit den Gemeinden und mit ihren Bürgern sollte auch für die Zukunft erhalten bleiben."

Nach diesem Text folgten unter Voranstellung der Dienstbezeichnungen die Namen von 33 ersten Bürgermeistern und vier zweiten Bürgermeistern sowie die Ortsnamen der jeweiligen Gemeinde mit dem Zusatz Gemeinde, Markt oder Stadt.

Der Kläger beanstandete den Wahlaufruf der Bürgermeister zugunsten des Beigeladenen als unzulässige Wahlbeeinflussung, die für die Wahl des Beigeladenen entscheidend gewesen sei. Dieser habe nach einer am 5. März 1994 veröffentlichten Umfrage der Zeitung Main-Post nur mit einem Stimmenanteil von 49,6 v.H. rechnen können.

Die Regierung von Unterfranken wies die Wahlanfechtung mit Bescheid vom 22. April 1994 zurück. Sie führte aus: Wahlbestimmungen seien nicht verletzt worden. Die Bürgermeister hätten sich nur als Staatsbürger privat geäußert. Zudem habe das Wahlergebnis mit Blick auf die weit über der absoluten Mehrheit liegende Zahl der für den Beigeladenen abgegebenen Stimmen nicht verdunkelt werden können.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat der Verwaltungsgerichtshof durch Urteil vom 29. November 1995 (NVwZ-RR 1996, 680 f. = BayVBl 1996, 145 f.) den Beklagten verpflichtet, die Wahl für ungültig zu erklären. Zur Begründung hat er im wesentlichen ausgeführt:

Die Bürgermeister hätten mit der Anzeige gegen ihre Neutralitätspflicht verstoßen. Unabhängig von dem verfassungsrechtlichen Gebot der freien Wahl verbiete auch das einfache Recht den mit der Durchführung der Wahl betrauten Behörden jede Art von Wahlbeeinflussung. Art. 15 Abs. 3 BayGWG fordere strikte Neutralität der Bürgermeister während des gesamten Wahlverfahrens. Als Staatsbürger stehe einem Bürgermeister das Grundrecht der freien Meinungsäußerung nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG zu. Mit ihrer Wahlempfehlung hätten die Bürgermeister sich jedoch in amtlicher Eigenschaft geäußert. Zwar sei ihre Anzeige nicht in einer "Amtlichen Mitteilung", sondern in den regionalen Tageszeitungen veröffentlicht worden. Die Bürgermeister hätten aber kraft ihres Amtes für den Beigeladenen werben wollen. Ihre Anzeige sei so gestaltet, daß die Bürgermeistertitel der Unterzeichner besonders ins Auge fielen. Zugleich werde von den Unterzeichnern die jeweilige Gemeinde betont, da nicht allein der Wohnort, sondern dieser jeweils mit dem Vorwort "Gemeinde", "Markt" oder "Stadt" angegeben sei. Zudem weise der Text auf die amtliche Funktion der Unterzeichner hin. Die Wendung "Wir Bürgermeister im Landkreis Rhön-Grabfeld" bitten "unsere Bevölkerung" zeige, daß die Bürgermeister als solche und nicht als zufällig verbundene Privatpersonen für die Wahl des Beigeladenen hätten werben wollen. Als Privatpersonen hätten sie keine Bevölkerung, an die sie sich richten könnten. Auch der Hinweis auf das gute Miteinander des bisherigen Landrats mit den Gemeinden und mit ihren Bürgern verdeutliche, daß die Bürgermeister das Gewicht ihres Amtes in die Wahlempfehlung hätten einbringen wollen. Dies werde dadurch noch besonders betont, daß der Einleitungssatz der Wahlwerbung in der Art eines amtlichen Wahlaufrufs abgefaßt sei.

Die Verletzung von Wahlbestimmungen durch den Verstoß der Bürgermeister gegen ihre Neutralitätspflicht habe das Wahlergebnis verdunkeln können. Es komme insoweit darauf an, ob die Möglichkeit eines anderen Wahlergebnisses bestanden habe, wenn die Wahlbestimmungen eingehalten worden seien. Das sei der Fall. Zwar sei die Zahl von 3.537 Wählern, die aufgrund der nur einmal erschienenen Anzeige ihre Entscheidung zugunsten des Beigeladenen getroffen haben müßten, relativ hoch. Es lasse sich jedoch keine konkrete Zahl derjenigen feststellen, deren Wahlentscheidung durch die Anzeige beeinflußt worden sei. Auf den vermutlichen Ausgang einer Stichwahl komme es im Wahlanfechtungsverfahren nicht an. Maßgeblich sei, daß die abgehaltene und angefochtene Wahl ohne den Wahlrechtsverstoß ein anderes Ergebnis gehabt haben könne.

Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision des Beklagten, der die Verletzung materiellen Rechts rügt.

Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil.

Der Beigeladene hat sich im Revisionsverfahren nicht geäußert.

Gründe

II.

Die Revision ist unbegründet. Das angefochtene Urteil verletzt kein revisibles Recht (vgl. § 137 Abs. 1 VwGO).

Der Verwaltungsgerichtshof hat der Wahlanfechtungsklage unabhängig von den im angefochtenen Urteil angeführten in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 44, 125, 139) für die Wahl zum Bundestag entwickelten und nach Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG auf für Wahlen im kommunalen Bereich geltenden (vgl. BVerfGE 52, 95, 111; 83, 37, 53) bundesverfassungsrechtlichen Grundsätzen stattgegeben. Zu dem Ergebnis, die als Zeitungsanzeige veröffentlichte Wahlempfehlung von 37 Bürgermeistern kreisangehöriger Gemeinden zugunsten des Beigeladenen habe gegen die den Gemeinden und ihren Organen obliegende Neutralitätspflicht bei der Wahl des Landrats verstoßen und zu einer Verdunkelung des Wahlergebnisses geführt, ist er auf dem Wege der Auslegung und Anwendung irrevisiblen Landesrechts gelangt (vgl. § 137 Abs. 1, § 173 VwGO in Verbindung mit § 562 ZPO). Vorschriften des Kommunalwahlrechts, die die Wahl kommunaler Wahlbeamter regeln, gehören nicht dem nach § 127 Nr. 2 BRRG revisiblen Landesbeamtenrecht, sondern dem irrevisiblen Kommunalverfassungsrecht des Landes an (vgl. Urteil vom 15. Dezember 1989 - BVerwG 7 C 25.89 - Buchholz 11 Art. 33 Abs. 5 GG Nr. 68 S. 16 f.; Beschlüsse vom 4. Februar 1993 - BVerwG 7 B 93.92 - Buchholz 415.1 AllgKommR Nr. 122 S. 117, 118 und vom 18. Juli 1996 - BVerwG 8 B 85.96 - SächsVBl 1996, 281). Die revisionsgerichtliche Prüfung muß von dem Inhalt dieser Vorschriften ausgehen, den das Berufungsgericht durch Auslegung ermittelt und seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat. Der erkennende Senat kann insoweit lediglich nachprüfen, ob Bundesrecht - namentlich Bundesverfassungsrecht - ein anderes Ergebnis gebietet (vgl. etwa Urteile vom 29. November 1991 - BVerwG 7 C 13.91 - Buchholz 160 Wahlrecht Nr. 35 S. 10, 11 ff. und vom 12. November 1993 - BVerwG 7 C 23.93 - Buchholz 160 WahlR Nr. 38 S. 21, 23 ff.; Beschlüsse vom 4. Dezember 1981 - BVerwG 7 B 132.81 - Buchholz 160 Wahlrecht Nr. 25 S. 4 f., vom 12. Januar 1988 - BVerwG 7 B 246.87 - Buchholz 160 Wahlrecht Nr. 29 S. 1 f. und vom 12. Januar 1989 - BVerwG 7 B 202.88 - Buchholz 160 Wahlrecht Nr. 32 S. 6, 7). Das ist hier nicht der Fall. Die dem angefochtenen Urteil entscheidungstragend zugrundeliegende Auslegung des Landesrechts begegnet keinen bundes(verfassungs)rechtlichen Bedenken. Das trifft entgegen dem Revisionsvorbringen sowohl für die Annahme eines Wahlrechtsverstoßes zu als auch für dessen Würdigung als erheblicher Wahlfehler.

Die Auslegung des Berufungsgerichts, das bayerische Kommunalwahlrecht fordere von allen mit der Durchführung der Wahl betrauten Behörden - darunter auch den Bürgermeistern als Gemeindebehörden - strikte Neutralität während des gesamten Wahlverfahrens und untersage ihnen jede Art von Wahlbeeinflussung, ist mit dem Grundrecht der freien Meinungsäußerung des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG vereinbar (vgl. bereits Beschluß vom 30. März 1992 - BVerwG 7 B 29.92 - Buchholz 160 Wahlrecht Nr. 37 S. 19, 20). Bürgermeister dürfen freilich nicht nur als Wähler an der Wahl teilnehmen, sondern auch im Wahlkampf sich als Bürger des Rechts der freien Meinungsäußerung bedienen (vgl. Urteil vom 8. Juli 1966 - BVerwG VII C 192.64 - BVerwGE 24, 315, 319; Beschluß vom 29. Mai 1973 - BVerwG VII B 27.73 - Buchholz 160 Wahlrecht Nr. 9 S. 11). Wie jeder andere Bürger dürfen sie sich insbesondere mit Auftritten, Anzeigen oder Wahlaufrufen aktiv am Wahlkampf beteiligen (vgl. Beschluß vom 30. März 1992, a.a.O. S. 20). Wahlempfehlungen zugunsten einer Partei oder eines Wahlbewerbers, die ein Bürgermeister in amtlicher Eigenschaft abgibt, werden jedoch nicht durch das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG) gedeckt. Sie verstoßen vielmehr gegen die den Gemeinden und ihren Organen durch das bundesverfassungsrechtliche Gebot der freien Wahl auch im Kommunalwahlkampf auferlegte Neutralitätspflicht und sind deswegen unzulässig (vgl. Beschlüsse vom 29. Mai 1973, a.a.O. S. 12 und vom 30. März 1992, a.a.O. S. 19 f.).

Nach dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der freien Wahl (Art. 38 Abs. 1 Satz 1, Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG) muß der Wähler in einem freien und offenen Prozeß der Meinungsbildung ohne jede unzulässige Beeinflussung von staatlicher oder nichtstaatlicher Seite zu seiner Wahlentscheidung finden können (vgl. BVerfGE 66, 369, 380 m.w.N.; 73, 40 (85)). Das Gebot der freien Wahl untersagt es staatlichen und gemeindlichen Organen, sich in amtlicher Funktion vor Wahlen mit politischen Parteien oder Wahlbewerbern zu identifizieren und sie als Amtsträger zu unterstützen oder zu bekämpfen (vgl. BVerfGE 44, 125, 141, 145; 63, 230, 243 BVerfG 23.02.1983 - 2 BvR 1765/82). Zulässige amtliche Öffentlichkeitsarbeit findet ihre Grenze dort, wo offene oder versteckte Wahlwerbung beginnt (vgl. BVerfGE 44, 124, 147 ff.; 63, 230, 243 f.); BVerwG, Beschluß vom 17. November 1988 - BVerwG 7 B 169.88 - Buchholz 160 Wahlrecht Nr. 31 S. 3, 4 f.). Nur Wahlen, die ohne Verstoß gegen das Gebot strikter staatlicher und gemeindlicher Neutralität und ohne Verletzung der Integrität der Willensbildung des Volkes und der Wahlbürger erfolgt sind, können demokratische Legitimation verleihen (vgl. BVerfGE 44, 125, 139; BVerwG, Beschluß vom 30. März 1992, a.a.O. S. 19). Auch ein Bürgermeister darf deshalb in amtlicher Eigenschaft keine Wahlempfehlung aussprechen (vgl. Beschlüsse vom 29. Mai 1973, a.a.O. S. 12 und vom 30. März 1992, a.a.O. S. 19 f.).

Die sich daraus ergebenden Grenzen für die zulässige Betätigung eines Bürgermeisters im kommunalen Wahlkampf sind überschritten, wenn ein Bürgermeister das ihm aufgrund seiner amtlichen Tätigkeit zufallende Gewicht und die ihm kraft seines Amtes gegebenen Einflußmöglichkeiten in einer Weise nutzt, die mit seiner der Allgemeinheit verpflichteten Aufgabe unvereinbar ist (vgl. Beschluß vom 29. Mai 1973, a.a.O. S. 11 f.). So verhält es sich im vorliegenden Fall. Nach den das Revisionsgericht mangels beachtlicher Verfahrensrügen bindenden tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils (vgl. § 137 Abs. 2 VwGO) haben sich 37 Bürgermeister kreisangehöriger Gemeinden mit ihrer Wahlempfehlung zugunsten des Beigeladenen unter Überschreitung der ihrer Öffentlichkeitsarbeit durch das Neutralitätsgebot gezogenen Grenzen in amtlicher Eigenschaft am Wahlkampf in dessen "heißer Phase" beteiligt. Die tatricherliche Würdigung der von den Bürgermeistern in den Tageszeitungen des Landkreises veröffentlichten Anzeige als eine nicht durch die Meinungsäußerungsfreiheit gedeckte amtliche Wahlbeeinflussung weist keinen im Revisionsverfahren beachtlichen Fehler auf. Sie verstößt namentlich weder gegen allgemeine Auslegungsgrundsätze noch gegen die Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze (zur Beschränkung der revisionsgerichtlichen Nachprüfung vgl. insoweit etwa Urteile vom 6. Februar 1975 - BVerwG II C 68.73 - BVerwGE 47, 330, 361), vom 6. Dezember 1988 - BVerwG 9 C 22.88 - Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 99 S. 144, 147 und vom 13. September 1990 - BVerwG 2 C 20.88 - Buchholz 442.08 § 27 BBahnG Nr. 1 S. 1, 4; Beschlüsse vom 2. März 1988 - BVerwG 1 B 105.87 - Buchholz 436.52 § 1 GjS Nr. 16 S. 31, 32 und vom 14. März 1988 - BVerwG 5 B 7.88 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 199 S. 31, 32 m.w.N.).

Der mit den Worten "Wir Bürgermeister im Landkreis Rhön-Grabfeld" beginnende, an "unsere Bevölkerung" gerichtete und von den Bürgermeistern unter augenfälliger Voranstellung ihrer Amtsbezeichnungen sowie mit Angabe der jeweiligen Gemeinde unterzeichnete Wahlaufruf, in dem unter Hinweis auf die bei ihrer langjährigen dienstlichen Zusammenarbeit mit dem Beigeladenen gewonnenen Kenntnisse und Erfahrungen dessen erneute Wahl nachdrücklich nahegelegt wird, haben die Bürgermeister ersichtlich nicht als Bürger, sondern unter wiederholter Hervorhebung ihrer Eigenschaft als "Amtspersonen" und offenbar mit dem Ziel der Beeinflussung der Wählerentscheidung zugunsten des Beigeladenen gerade vermittels des ihrem Amt zukommenden Ansehens und Gewichts veröffentlicht. Ihre Aufforderung, "die erfolgreiche und sachbezogene Kreispolitik unseres Landrates ... mit Ihrem Votum (zu) unterstützen und unsere Dankbarkeit und Anerkennung für die erfolgreiche Arbeit während der vergangenen 18 Jahre Dienstzeit (zu) bestätigen", stellt nicht lediglich die Meinungsäußerung politisch engagierter Bürger dar, die zugleich Bürgermeister sind und ihr Amt nicht zu verleugnen brauchen. Die Bürgermeister haben sich vielmehr unter mehrfacher Hervorhebung ihrer amtlichen Eigenschaft geäußert, als Amtsträger die "Kreispolitik" und Arbeit des bisherigen Landrats beurteilt und auf diese Weise die ihnen nicht als Bürger, sondern kraft ihres Amtes gegebenen Möglichkeiten der Einflußnahme auf die Willensbildung der Wähler genutzt und nutzen wollen. Daß die Wahlempfehlung nicht in einer "Amtlichen Mitteilung", sondern als Anzeige in den regionalen Tageszeitungen veröffentlicht und privat finanziert wurde, ändert nichts daran, daß sie dem unbefangenen Leser den Eindruck eines amtlichen Wahlaufrufs der 37 Bürgermeister zugunsten des Beigeladenen vermittelt und damit eine unzulässige Wahlwerbung darstellt.

Ob Bürgermeister Empfehlungen mit ähnlichem Inhalt in einer öffentlichen Versammlung hätten aussprechen dürfen, mag auf sich beruhen. Darauf kommt es nicht an. Selbst die - unterstellte - Zulässigkeit solcher mündlichen Äußerungen eines einzelnen Bürgermeisters in einer öffentlichen Versammlung rechtfertigt nicht den Schluß, auch die hier zu beurteilende gemeinsame Wahlempfehlung von 37 Bürgermeistern kreisangehöriger Gemeinden zur Landratswahl stelle nach Gestaltung und Inhalt keine rechtswidrige Wahlbeeinflussung, sondern eine nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG zulässige Meinungsäußerung der Bürgermeister als Privatpersonen dar.

Der weitere Einwand der Revision, der Wahlrechtsverstoß könne nach dem vom Bundesverfassungsgericht für die Wahlprüfung bei Bundestagswahlen (Art. 41 GG) entwickelten "Erheblichkeitsgrundsatz" (BVerfGE 29, 154, 163) nicht zur Ungültigkeit der Wahl führen, greift ebenfalls nicht durch. Allerdings sind bei der Wahlprüfung nach Art. 41 GG Wahlfehler von Verfassungs wegen nur zu korrigieren, wenn und soweit sie die konkrete Mandatsverteilung beeinflußt haben können (vgl. BVerfGE 40, 11, 29; 85, 148, 158 f.), jeweils m.w.N.; stRspr). Eine solche Möglichkeit darf nicht nur theoretisch bestehen. Sie muß vielmehr nach allgemeiner Lebenserfahrung konkret und nicht ganz fernliegend sein (vgl. BVerfGE 89, 243, 254; 89, 266, 273 m.w.N.; 89, 291, 304). Das Landes- und Kommunalwahlrecht darf auch zweifellos die gleichen Anforderungen an die Kausalität eines Wahlfehlers für das Wahlergebnis stellen (vgl. BVerfGE 29, 154, 163; 34, 81, 96 f.); BVerwG, Beschluß vom 17. November 1988, a.a.O. S. 5). Ob der Erheblichkeitsgrundsatz dem kommunalen Wahlprüfungsverfahren bundesverfassungsrechtlich zwingend vorgegeben ist, wie die Revision geltend macht, ist jedoch zweifelhaft. Das Grundgesetz fordert lediglich, daß das Wahlrecht in den Ländern, Kreisen und Gemeinden den in Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG niedergelegten Wahlrechtsgrundsätzen entspricht. Innerhalb dieses durch Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG abgesteckten Regelungsrahmens sind die Länder bei der Gestaltung ihres Wahlrechts grundsätzlich frei (vgl. BVerfGE 4, 31, 44 f.; BVerwG, Urteil vom 12. November 1993 - BVerwG 7 C 23.93 - BVerwGE 94, 288, 290). Die Übernahme der Wahlrechtsgrundsätze des Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG durch Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG auch für die Wahlen zu den Volksvertretungen in den Ländern, Kreisen und Gemeinden soll freilich sicherstellen, daß die Grundentscheidungen der Verfassung für die Prinzipien der Volkssouveränität und Demokratie sowie für ein demokratisches Wahlverfahren in den Gemeinden und Gemeindeverbänden ebenfalls gelten (vgl. BVerfGE 52, 95, 111; 83, 37, 53; Urteil vom 27. März 1992 - BVerwG 7 C 20.91 - BVerwGE 90, 104, 105). Der Erheblichkeitsgrundsatz findet seine sachliche Rechtfertigung auch letztlich in dem zu den fundamentalen Prinzipien der Demokratie gehörenden Mehrheitsprinzip (vgl. BVerfGE 29, 154, 165). Ein Wahlfehler kann den in einer Wahl zum Ausdruck gebrachten Volkswillen nur verletzen, wenn sich ohne ihn eine andere, über das maßgebliche Wahlergebnis entscheidende Mehrheit ergeben würde (vgl. BVerfGE 29, 154, 165). Daraus folgt aber nicht, daß der Erheblichkeitsgrundsatz von Verfassungs wegen für das landesrechtlich geregelte kommunale Wahlprüfungsverfahren übernommen werden muß.

Der Frage ist nicht weiter nachzugehen. Das angefochtene Urteil stellt nämlich - entgegen der Ansicht der Revision - keine geringeren Anforderungen an die Erheblichkeit eines Wahlrechtsverstoßes als die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Das Berufungsgericht hat vielmehr eine Veränderung des Wahlergebnisses durch die unzulässige Wahlbeeinflussung der 37 Bürgermeister kreisangehöriger Gemeinden tatsächlich für möglich und auch nicht völlig fernliegend gehalten. Dagegen läßt sich im Revisionsverfahren nicht durchgreifend einwenden, die Wahlempfehlung der Bürgermeister habe sich auf die Landratswahl mit Blick auf den großen Stimmenvorsprung des Beigeladenen vor dem Kläger allenfalls unwesentlich auswirken, jedenfalls aber das Wahlergebnis nicht verändern können. Maßgeblich ist nicht, ob der Kläger ohne den Wahlfehler anstelle des Beigeladenen hätte gewählt werden können, was mit Blick auf die Stimmenverhältnisse praktisch ausgeschlossen erscheint. Das angefochtene Urteil stellt allein darauf ab, daß der Beigeladene die bei dieser Wahl erforderliche absolute Mehrheit der abgegebenen gültigen Stimmen nicht erreicht hätte, wenn mindestens 3.537 Wähler sich ohne die unzulässige Wahlempfehlung nicht für ihn entschieden hätten. Die Annahme des Berufungsgerichts, diese Möglichkeit lasse sich nicht hinreichend sicher ausschließen, ist revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden. Der insoweit von der Revision erhobene Vorwurf einer Argumentation des angefochtenen Urteils im spekulativen Bereich richtet sich gegen die den erkennenden Senat bindenden tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts (vgl. § 137 Abs. 2 VwGO) sowie dessen tatrichterliche Würdigung, die keinen Verstoß gegen allgemeine Erfahrungssätze oder Denkgesetze erkennen läßt (vgl. auch Beschluß vom 29. Mai 1973, a.a.O. S. 12 f.). Das unmittelbar vor der Wahl in der Zeitung Main-Post vom 5./6. März 1994 veröffentlichte Ergebnis einer Wählerumfrage deutet immerhin auf eine nicht unerhebliche Veränderung des Wählerwillens in der kurzen Zeit zwischen der Veröffentlichung der Wahlempfehlung der Bürgermeister und dem Wahltag hin. Ob zulässige mündliche Wahlempfehlungen der einzelnen Bürgermeister als Bürger in öffentlichen Versammlungen zugunsten des Beigeladenen möglicherweise eine etwa vergleichbar große oder geringe Wirkung auf den Ausgang der Landratswahl gehabt hätten, ist unerheblich. Mit zulässigen Mitteln darf der Ausgang einer Wahl beeinflußt werden (vgl. auch Beschluß vom 29. Mai 1973, a.a.O. S. 12 f.).

Eine Prognose, welches Ergebnis eine - beim Nichterreichen der absoluten Mehrheit im ersten Wahlgang - erforderlich gewordene Stichwahl voraussichtlich gehabt hätte, hat das Berufungsgericht im Wahlanfechtungsverfahren abgelehnt. Dagegen ist bundesrechtlich auch mit Blick auf den Erheblichkeitsgrundsatz nichts einzuwenden. Die im angefochtenen Urteil festgestellte Ungewißheit der Auswirkungen der unzulässigen amtlichen Wahlempfehlung auf die Wahlentscheidungen der Bürger sowie die offene personelle Zusammensetzung der sich einer Stichwahl stellenden Wahlbewerber schließen eine hinreichend sichere Annahme des vermutlichen Ausgangs einer Stichwahl aus.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO.