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TA Lärm nicht auf Kindertagesstätte anwendbar; Reichweite des Rücksichtmahmegebots

VG Hamburg, Beschluss vom 30.12.2005 - Az.: 11 E 3265/05

Leitsätze:

1. Die TA Lärm ist auf den von einer Kindertagagesstätte ausgehenden Kinderlärm nicht - auch nicht entsprechend - anwendbar. (Leitsatz des Herausgebers)

2. Auch wenn die Baugenehmigung für eine Kindertagesstätte die Einhaltung von Immissionsrichtwerten nach der TA Lärm fordert, ist davon auszugehen, dass sich diese Anforderung lediglich auf technische Anlagen wie Lüftungsanlagen bezieht. (Leitsatz des Herausgebers)

3. Bei der Prüfung, ob das aus § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB abgeleitete Rücksichtnahmegebot verletzt ist, sind auch gesetzliche Vorgaben zur Errichtung von Kindergärten und Kindertagesstätten, die einen Anspruch auf den Besuch einer Tageseinrichtung in zumutbarer Entfernung zur Wohnung des Kindes festschreiben, zu berücksichtigen. (amtlicher Leitsatz)

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Gründe

Der Antrag ist zulässig (vgl. 1), aber unbegründet (vgl. 2).

1. Die Statthaftigkeit des vorliegenden Antrages folgt aus § 80 a Abs. 3, Abs. 1 Nr. 2, § 80 Abs. 5 Satz 1, Abs. 2 Nr. 3 VwGO i. V. m. § 212 a Abs. 1 BauGB.

Die Antragsteller sind entsprechend § 42 Abs. 2 VwGO antragsbefugt. Dies ergibt sich allerdings nicht aus ihrer Befürchtung, dass es im ... zu einem "Verkehrskollaps" kommen könnte, denn dies betrifft die Rechtsposition der Antragsteller schon im Ansatz nicht. Die Antragsbefugnis ist aber insbesondere im Hinblick auf die eintretenden Lärmwirkungen der Kindertagesstätte einschließlich des durch die bauliche Anlage bedingten Zu- und Abgangsverkehrs gegeben.

2. Der Antrag hat in der Sache keinen Erfolg.

Bei der nach § 80 a Abs. 3 Satz 2 in Verbindung mit § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO vom Gericht vorzunehmenden Abwägung der Interessen der Beteiligten kommt es darauf an, ob der Widerspruch gegen die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 11. August 2005 / 2. Dezember 2005 nach summarischer Prüfung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit Erfolg haben wird. Das ist nicht festzustellen.

Der Widerspruch kann nur dann Erfolg haben, wenn die Antragsteller durch die Genehmigung zugleich in ihren geschützten Nachbarrechten verletzt sind. Dies ist nur dann der Fall, wenn durch die Baugenehmigung eine Rechtsnorm verletzt worden ist, die zumindest auch dem Schutz der Nachbarn dient, also dritt- bzw. nachbarschützende Wirkung hat (vgl. nur BVerwG, Urteil v. 19.09.1986, NVwZ 1987, 409). An einer solchen Rechtsverletzung fehlt es nach dem Erkenntnisstand des Eilverfahrens.

Hinsichtlich der Geräuschimmissionen und der weiter geltend gemachten Beeinträchtigungen ergibt sich eine Rechtsverletzung der Antragsteller nicht aus § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB, der eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange annimmt, wenn das Vorhaben schädliche Umwelteinwirkungen hervorrufen kann.

a) § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB ist hier als drittschützende Norm einschlägig, weil das Vorhabensgrundstück im Außenbereich im Sinne von § 35 BauGB liegt und sich die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit der Kindertagesstätte, die dort kein privilegiertes Vorhaben darstellt (OVG Münster, Urt. v. 26.11.1976, BRS 30, Nr. 59), demgemäß nach § 35 Abs. 2 BauGB richtet. Dem steht nicht entgegen, dass der Baustufenplan Blankenese für den südlichen Teil dieses Grundstücks "Außengebiet Landschaftsschutz" und der Baustufenplan Iserbrook/Sülldorf für den nördlichen Teil "Landschaftsschutz" festsetzt. Denn nach der Rechtsprechung des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts (Urt. v. 29.04.2004, NVwZ-RR 2005, 707; Urt. v. 21.9.2000, NordÖR 2001, 81) sind Ausweisungen von "Außengebiet" in Baustufenplänen, wozu auch mit "Landschaftsschutz" gekennzeichnete Gebiete gehören (OVG Hamburg, Urt. v. 25.01.1996, Bf II 32/94, in: juris, Rechtsprechung der Länder), obsolet geworden. Etwas anderes mag u.U. für kleinflächige Außengebiete mit weiter konkretisierter Grünflächennutzung gelten (vgl. OVG Hamburg, Urt. v. 21.9.2000, NordÖR 2001, 81). Dies bedarf jedoch keiner Entscheidung. Denn eine solche Konkretisierung liegt hier nicht vor. Es sind - dem Regelfall entsprechend - erkennbar lediglich "Landflächen außerhalb der Baugebiete" im Sinne von § 10 Abs. 5 Satz 1 BPVO festgesetzt worden.

b) Ein Verstoß gegen das aus § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB abgeleitete Rücksichtnahmegebot (vgl. Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 9. Auflage 2005, § 35 Rdnr. 55 m.w.N.) ist nicht zu erkennen. Welche Anforderungen das Gebot der Rücksichtnahme insoweit begründet, hängt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts wesentlich von den jeweiligen Umständen ab. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung desjenigen ist, dem die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zugute kommt, um so mehr kann er an Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, um so weniger braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen. (BVerwG, Urt. v. 28.10.1993, NVwZ 1994, 686; Urt. v. 25.02.1977, BVerwGE 52, 122). Bei diesem Ansatz kommt es für die sachgerechte Beurteilung des Einzelfalles wesentlich auf eine Abwägung zwischen dem an, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmepflichtigen nach Lage der Dinge zuzumuten ist.

Gemessen an diesem Maßstab ist die Errichtung der Kindertagesstätte auf dem Vorhabensgrundstück rechtlich nicht zu beanstanden.

(1) Bei der Bestimmung der Schutzbedürftigkeit ist zunächst die besondere Lage des Grundstücks der Antragsteller am Rande zum Außenbereich zu berücksichtigen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urt. v. 19.01.1989, BVerwGE 81, 197; Urt. v. 22.03.1985, BVerwGE 71, 150) kann der Eigentümer eines solchen Grundstücks nicht damit rechnen, dass in seiner Nachbarschaft keine emittierende Nutzung oder allenfalls eine reine Wohnnutzung entstehen könne. Er darf aber darauf vertrauen, dass dort keine Nutzung entstehen wird, die mit der Wohnnutzung nicht mehr verträglich ist (BVerwG a.a.O.).

Es ist insoweit im Grundsatz von der Wohngebietsverträglichkeit einer Kindertagesstätte auszugehen. Die Errichtung des streitgegenständlichen Vorhabens wäre grundsätzlich auch im Wohngebiet, in dem das Grundstück der Antragsteller liegt, möglich. Dies folgt aus § 4 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO, wonach in einem allgemeinen Wohngebiet auch Anlagen zu sozialen Zwecken, zu denen als typisches Beispiel die Kindertagesstätte zählt (König/Roeser/Stock, BauNVO, 2. Auflage 2003, § 4 Rdnr. 51), zulässig sind. § 4 BauNVO ist seinerseits auch anwendbar. Zur Konkretisierung der Festsetzungen eines Baustufenplans ist grundsätzlich auf die Regelungen der Baupolizeiverordnung zurückzugreifen, da sich die Baustufenpläne an diesen Regelungen orientieren und durch diese erst ihren Inhalt erhalten. Hinsichtlich der vorliegenden Ausweisung "W" (Wohngebiet) regelt § 10 Abs. 4 W Satz 1 BPVO, dass die dieser Ausweisung unterfallenden Grundstücke den Wohnbedürfnissen dienen. Dabei ist der Begriff der Wohnbedürfnisse weit auszulegen, und es bedarf deshalb eines geeigneten Maßstabs zur Konkretisierung dieser Festsetzung. Als solcher Maßstab kann - wenn auch nicht schematisch - die jeweils geltende Baunutzungsverordnung als Auslegungshilfe herangezogen werden (OVG Hamburg, Beschl. v. 8.12.2003, MMR 2004, 709). Denn die Vorschriften dieser Verordnung bringen regelmäßig zum Ausdruck, was nach allgemeinem Verständnis für die Wohnnutzung in bestimmten Gebieten über die eigentliche Wohnnutzung hinaus als dazugehörig oder jedenfalls mit ihr verträglich anzusehen ist. Es erscheint daher grundsätzlich sachgerecht, bei der ergänzenden Heranziehung der Vorschriften der Baunutzungsverordnung zur Auslegung von Baustufenplänen für besonders geschützte Wohngebiete in Baustufenplänen auf § 3 BauNVO und für - wie hier - nicht besonders geschützte Wohngebiete auf § 4 BauNVO abzustellen (vgl. OVG Hamburg a.a.O.).

(2) Andere Umstände des Einzelfalles lassen ebenfalls keinen Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot aus § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB erkennen. Das genehmigte Vorhaben dürfte auch unter Berücksichtigung des zu erwartenden Kinderlärms (a), der Lärmbelästigungen des durch die bauliche Anlage bedingten Zu- und Abgangsverkehrs (b) sowie der Lage und Größe des Gebäudes (c) hinzunehmen sein.

(a) Der - nicht unerhebliche und keinesfalls zu bagatellisierende - Kinderlärm, der von der Kindertagesstätte der Beigeladenen nach Betriebsaufnahme ausgeht, wird aller Voraussicht nach zu keinen unzumutbaren Beeinträchtigungen führen. Zwar erscheint es nicht ausgeschlossen, dass der Kinderlärm - entsprechend der Vermutung der Antragsteller - den nach der TA Lärm für allgemeine Wohngebiete vorgesehenen Immissionsrichtwert von tags 55 dB(A) übersteigen könnte, wenn insbesondere eine größere Anzahl von Kindern im Freien spielt (vgl. etwa die Schrift des Bayerischen Landesamtes für Umweltschutz "Geräusche von Kinderspielplätzen" = http://www.bayern.de/lfu/laerm/veroeffentlichungen/kinderspielplaetze.pdf sowie LG Hamburg, Urt. v. 8.08.2005, 325 O 166/99, in: beck-online). Dies allein würde jedoch nicht zur Überschreitung der Zumutbarkeitsgrenze führen. Denn die TA Lärm ist auf Anlagen für soziale Zwecke, zu denen - wie bereits ausgeführt - auch die Kindertagesstätte zählt (vgl. in immissionsschutzrechtlicher Hinsicht ferner Landmann/Rohmer, Umweltrecht, TA Lärm Nr.1 Rdnr. 21), nicht anwendbar (TA Lärm Nr. 1 Abs. 2 lit. h).

Es verbietet sich auch eine entsprechende Anwendung dieser Vorschriften (vgl. VGH Mannheim, Urt. v. 26.06.2002, BRS 65 Nr. 181 und BT-Drs. 15/5993, S. 69 f.). Wie sich aus der Entstehungsgeschichte der TA Lärm 1998 ergibt, ist Nr. 1 Abs. 2 lit. h auf Initiative des Bundesrates in den Entwurf der Bundesregierung eingefügt worden, und zwar gerade um die Zulassung von "Kindergärten" in Wohngebieten durch die Anforderungen der TA Lärm nicht zu erschweren bzw. zu verhindern. Wörtlich heißt es in der maßgeblichen Empfehlung der Ausschüsse (BR-Drs. 254/1/98, S. 3 f.):

"Die von der Bundesregierung beschlossene Neufassung sieht die Anwendung der TA Lärm auch auf immissionsschutzrechtlich nicht genehmigungsbedürftige Anlagen vor; Nummer 1 Abs. 2 nennt einen offenbar abschließenden Katalog hiervon geltender Ausnahmen. Anlagen für soziale Zwecke sind in diesem Ausnahmekatalog bislang nicht genannt (...) Damit müssten etwa Kindergärten, Behinderteneinrichtungen oder Krankenhäuser nach den Maßstäben der TA Lärm behandelt werden. Gerade bei diesen Anlagen, bei denen nach außen wahrnehmbar menschliche Lebensäußerungen im engeren Sinne im Vordergrund stehen, können aber die standardisierten Beurteilungsverfahren und Bewertungsmaßstäbe der TA Lärm kaum zu zutreffenden Ergebnissen führen. Es ist absehbar, dass bei dieser Lösung die Zulassung von Kindergärten in Wohngebieten in erheblichem Maße problematisiert, erschwert und teilweise sogar verhindert würde."

Die Anwendbarkeit der TA Lärm folgt im vorliegenden Fall auch nicht etwa aus Anlage 5 zum Baugenehmigungsbescheid vom 11. August 2005. Die dort festgelegten umweltschutzrechtlichen Anforderungen, die unter Nummer 4 für die "gesamte Anlage" die Einhaltung des für allgemeine Wohngebiete nach der TA Lärm maßgeblichen Immissionsrichtwertes von tags 55 dB(A) fordern, sind zweifellos missverständlich gefasst. Sie können jedoch nicht dahin interpretiert werden, dass die gesamte Kindertagesstätte entgegen der dargestellten Rechtslage den Anforderungen der TA Lärm unterworfen werden sollte. Die Antragsgegnerin hat mit Schriftsatz vom 2. November 2005 klargestellt, dass diese Bestimmung sich allein auf die in der Kindertagesstätte betriebenen technischen Anlagen wie Lüftung, Phrasenabzug etc. bezieht. In diesem Sinne war die Anlage 5 auch von der Beigeladenen als Adressatin verstanden worden (vgl. den Schriftsatz vom 2.11.2005, S. 5). Eine extensive Auslegung ist auch deshalb abzulehnen, weil - wie die Antragsteller unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des OVG Münster (Beschl. v. 07.06.1994, BauR 1995, 66) selbst ausführen - eine so verstandene Auflage untauglich wäre, Kinderlärm zu begrenzen. Der typische Lärm, den eine Vielzahl von Kindern unterschiedlichen Alters insbesondere beim Spielen im Freien machen kann, ist kein vermeidbarer Lärm (vgl. Stollenwerk, NZM 2004, 289, 292). Denn Kinder lassen sich in ihrer Lautstärke - anders als technische Anlagen - nur begrenzt "regeln".

Im Ergebnis kann bei Lärmbelästigungen, die von einem Kinderspielplatz oder - wie im vorliegenden Fall - von einer Kindertagesstätte ausgehen, nicht schematisch, sondern allenfalls als "grober Anhalt" auf die in Technischen Regelwerken wie der TA Lärm für die einzelnen Baugebiete festgelegten Immissionsrichtwerte abgestellt werden (vgl. BVerwG, Beschl. v. 20.03.2003, NVwZ 2003, 1516; Urt. v. 19.01.1989, BVerwGE 81, 197), weil diese sich im Wesentlichen auf gewerblichen Lärm und auf einen bestimmten äquivalenten Dauerschallpegel, d.h. auf relativ gleichmäßige und gleichförmige Geräusche, beziehen. Damit aber kann die "Lästigkeit" von Spielgeräuschen und Sportgeräuschen, die gerade darin besteht, dass diese Geräusche von unterschiedlichen, ständig wechselnden Ereignissen ausgehen und von ganz unterschiedlicher Art und Intensität sind, nicht bzw. nur unzureichend erfasst werden. Erforderlich ist vielmehr eine "situationsbedingte" Abwägung der Gesamtumstände des konkreten Einzelfalles bzw. der konkreten örtlichen Situation, bei der insbesondere die bauplanerischen Ausweisungen für das betreffende Gebiet bzw. dessen faktische Siedlungsstruktur und die Sozialadäquanz bestimmter Geräusche und der damit verbundenen Belästigungen zu berücksichtigen sind (VG Osnabrück, Urt. v. 18.06.1997, ZevKR 44, 555).

Bei der Prüfung dieser Voraussetzungen sind die gesetzlichen Vorgaben zur Errichtung von Kindergärten und Kindertagesstätten zu beachten und zu gewichten (VG Gelsenkirchen, Urt. v. 14.07.2005, 5 K 3789/03, in: juris, Rechtsprechung der Länder; VG München, Beschl. v. 27.05.1998, NVwZ 1999, 448). Nach § 24 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII in Verbindung mit § 6 Abs. 1 Satz 1 und 2 Hamburger Kinderbetreuungsgesetz (KibeG) hat jedes Kind vom vollendeten dritten Lebensjahr bis zum Schuleintritt Anspruch auf den Besuch eines Kindergartens. Dieser Anspruch wird durch jede Tageseinrichtung erfüllt, in der Kinder vom vollendeten dritten Lebensjahr bis zum Schuleintritt durch pädagogische Fachkräfte im zeitlichen Umfang von fünf Stunden an fünf Wochentagen in zumutbarer Entfernung zur Wohnung des Kindes gemeinsam Mittag essen, betreut, erzogen und gebildet werden. Daraus folgt zwangsläufig eine Erhöhung der Anzahl von Kindertageseinrichtungen in und in unmittelbarer Nähe von Wohngebieten. Diesen Bestimmungen ist damit eine Einschränkung des Ruheanspruchs der Bewohner eines reinen oder allgemeinen Wohngebietes gewissermaßen immanent (ebenso zum nordrhein-westfälischen Landesrecht: VG Gelsenkirchen a.a.O.). Der zum 1. August 2006 in Kraft tretende § 6 Abs. 2 KibeG (vgl. Artikel 2 des Einführungsgesetzes zum Hamburger Kinderbetreuungsgesetz vom 03.11.2004 (HmbGVBl. S. 395)) normiert ferner, dass jedes Kind bis zum vollendeten 14. Lebensjahr Anspruch auf Tagesbetreuung in dem zeitlichen Umfang hat, in dem seine Sorgeberechtigten wegen Berufstätigkeit, Ausbildung, der Teilnahme an einer Maßnahme der beruflichen Weiterbildung im Sinne des Dritten Buches Sozialgesetzbuch oder der Teilnahme an Deutsch-Sprachkursen für Migrantinnen und Migranten die Betreuung nicht selbst übernehmen können. Dieser Anspruch wird, auch wenn es das Gesetz in diesem Fall nicht ausdrücklich bestimmt, ebenfalls in zumutbarer Entfernung zur Wohnung des Kindes einzulösen sein.

Die hier streitgegenständliche Kindertagesstätte ist überdies lediglich von mittlerer Größe. Erhebliche Spannungen zur planungsrechtlich ausgewiesen Nutzung, wie sie bei mehreren, in engem räumlichen Bezug zu einander stehenden Kindertagesstätten mit bis zu 200 Plätzen jedenfalls im Verhältnis zu einem reinen Wohngebiet zu erwarten sind (vgl. OVG Hamburg, Urt. v. 29.07.2004, 2 Bf 107/01, in: juris, Rechtsprechung der Länder), können daher nicht ohne weiteres angenommen werden. Zwar äußern die Antragsteller die Befürchtung, dass auch in der in ihrer Nachbarschaft errichteten Kindertagesstätte bis zu 200 Kinder durch die Beigeladene untergebracht werden könnten. Diese Befürchtung wird aber nicht durch belastbare Indizien belegt. Nach dem gegenwärtigen Verfahrensstand bestehen keinerlei Anhaltspunkte, dass eine solche Größenordnung auch nur annähernd erreicht werden könnte. Der Geschäftsführer der Beigeladenen hat erklärt, es sei von einer „theoretisch möglichen Obergrenze“ von 140 Kindern auszugehen (Sitzungsprotokoll vom 10.11.2005, S. 3). Diese Einschätzung dürfte realistisch sein. Denn aus einer in der Sachakte der Antragsgegnerin enthaltenen Flächenüberprüfung vom 10. Juni 2005 für das Referat "Leistungsentgelte, Trägerberatung und Heimaufsicht" dürfte sich unter Berücksichtigung der getroffenen Leistungsvereinbarung eine Standardkapazität von 107 Kindern und rechnerische Maximalbelegung von 155 Kindern ergeben.

Auch die Anlegung der Freifläche ist eher als günstig zu beurteilen. Diese Fläche auf dem 6.946 m² großen Vorhabensgrundstück ist großzügig geschnitten, so dass sich die hiervon ausgehenden Geräusche - sofern sie nicht ohnehin durch den nach Süden ausgerichteten Innenhof der Kindertagesstätte vom Grundstück der Antragsteller abgeschirmt werden - jedenfalls über einen weiten Bereich verteilen.

Im Übrigen ist die Annahme, die lärmintensiven Tätigkeiten seien (schwerpunktmäßig) Räumlichkeiten zugeordnet, die dem Grundstück der Antragsteller zugewandt seien, nicht zutreffend. Aus den als Anlage ASt 5 vorgelegten Grundrissen und den dort wiedergegebenen "pädagogischen Flächen" im Erd- und Obergeschoss ergibt sich ein anderes Bild: So sind insbesondere im hier interessierenden Erdgeschoss der Mehrzweckraum, Flur und Veranda sowie die Fenster des Musik- und Tanzraumes zum Innenhof hin ausgerichtet. Das Gebäude wird folglich auch insoweit Lärmimmissionen auf das Grundstück der Antragsteller in erheblichem Umfang mindern können.

(b) Der durch das Vorhaben ausgelöste Zu- und Abfahrtsverkehr ist zwar zugunsten der Antragsteller zu berücksichtigen (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.08.1998, NVwZ 1999, 523 für Verkehrslärm in einem im Zusammenhang bebauten Ortsteil nach § 34 Abs. 1 BauGB). Ihm kann aber kein entscheidungserhebliches Gewicht beigemessen werden. In welchem Maße die Umgebung schutzwürdig ist, lässt sich bei vorhabensbedingten Verkehrsgeräuschen, ebenso wie bei sonstigen Immissionen, nicht unabhängig von etwaigen Vorbelastungen bewerten. Ist der Standort schon durch Belästigungen in einer bestimmten Weise vorgeprägt, so vermindern sich entsprechend die Anforderungen des Rücksichtnahmegebots. Im Umfang der Vorbelastung sind Immissionen zumutbar, selbst wenn sie sonst in einem vergleichbaren Gebiet nicht hinnehmbar wären (vgl. BVerwG a.a.O.). Vorliegend müssen sich die Antragsteller insoweit die nicht unerhebliche Vorbelastung durch den von der ... verursachten Fahrzeugverkehr entgegenhalten lassen.

Darüber hinaus dürfte eine Reihe von Kindern nicht mit dem Pkw zur Einrichtung gefahren werden. Eine solche Lösung böte sich zunächst für Kinder, die in der unmittelbaren Umgebung wohnen, nicht an. Überdies verfügt der Standort der Kindertagesstätte über eine recht gute Anbindung an den öffentlichen Personennahverkehr. Eine Haltstelle der Buslinie 1 ("...") befindet sich in der näheren Umgebung (vgl. Sitzungsprotokoll vom 10.11.2005, S. 2). Die S-Bahnstationen Sülldorf und Iserbrook dürften etwa nur 1 km entfernt liegen.

Schließlich werden die hier durch Kraftfahrzeuge verursachten Geräusche (insbesondere Bremsen, Türenschlagen, Anfahren) für die Antragsteller voraussichtlich erheblich durch die am 2. Dezember 2005 genehmigte Zufahrt über das im Eigentum der Antragsgegnerin stehende Flurstück ... gemindert. Denn die Entfernung des anzunehmenden "Haltepunktes" der Fahrzeuge läge damit vor dem Eingang der Kindertagesstätte und folglich über 40 m von der Grundstücksgrenze der Antragsteller entfernt. Dem wird auch mit Blick auf das Gebot effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) nicht entgegengehalten werden können, dass es der Beigeladenen bisher nicht gelungen ist, eine Einigung mit der offenbar nutzungsberechtigten ... über die gemeinsame Nutzung der Zufahrt zu erzielen. Eine Verständigung mit dem Verein erscheint jedenfalls weiterhin möglich. Im Übrigen könnten sich die Antragsteller, sofern sich die Antragsgegnerin zur Genehmigung einer geänderten Zufahrt gezwungen sehen sollte (vgl. hierzu den Schriftsatz der Beigeladenen vom 20.12.2005), im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen diese geänderte Planung wenden. Sollte die Antragsgegnerin von einer solchen Genehmigung absehen und die Kindertagesstätte letztlich ohne eine tatsächlich verfügbare Zufahrt in Betrieb gehen, was vermutlich eine Verlagerung aller "Haltevorgänge" in den ... zur Folge hätte, könnten die Antragsteller dies ebenfalls gerichtlich geltend machen (vgl. § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO).

(c) Letztlich kann die Unzumutbarkeit der Kindertagesstätte auch nicht durch die Größe und Zweigeschossigkeit des Gebäudes begründet werden. In der Überschreitung des in der Nachbarschaft verwirklichten Maßes der baulichen Nutzung durch ein Vorhaben im Außenbereich liegt regelmäßig keine Beeinträchtigung öffentlicher Belange i. S. von § 35 Abs. 3 BauGB (vgl. BVerwG, Urt. v. 22.06.1990, NVwZ 1991, 64). Dass eine solche Einrichtung die Größe eines Ein- oder Zweifamilienhauses deutlich überschreiten muss, um einen den Anforderungen entsprechenden Betrieb gewährleisten zu können, liegt überdies auf der Hand. Die zweigeschossige Bauweise ist schon deshalb nicht zu beanstanden, weil sie den Vorgaben des Baustufenplans Iserbrook/Sülldorf, der für das Grundstück der Antragsteller eben diese Anzahl der Vollgeschosse ermöglicht, entspricht.