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Straßenumbenennung wegen Verwechslungsgefahr; Rechte eines Anliegers

VGH Mannheim, Urteil vom 13.11.1978 - Az.: I 1558/78

Leitsätze:

1. Bei einer Straßenumbenennung hat der Eigentümer eines betroffenen Grundstücks einen Anspruch auf ein auch ihm gegenüber fehlerfrei ausgeübtes Ermessen der Gemeinde. (Leitsatz des Herausgebers)

2. Eine Straßenbenennung stellt niemandem gegenüber einen begünstigenden Verwaltungsakt dar, so dass eine spätere Umbenennung auch kein Widerruf eines begünstigenden Verwaltungsakts ist. (Leitsatz des Herausgebers)

3. Die Gefahr von Verwechslungen zwischen einer Straße und einem ähnlich benannten Platz stellt auch dann einen sachlichen Grund für die Umbenennung der Straße dar, wenn der Platz unbebaut ist und ihm somit keine Postanschriften zugeordnet sind. (Leitsatz des Herausgebers)

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Tatbestand

Der Kläger wendet sich dagegen, dass die "Deutschordenstraße" in Neckarsulm-Amorbach, in der er wohnt, in "Eduard-Hirsch-Straße" umbenannt werden und sein Haus eine neue Nummer erhalten soll.

Die Umbenennung beschloss der Gemeinderat der Beklagten am 13.5.1976; durch den gleichen Beschluss entschied sich das Organ dafür, dem im Zentrum der Stadt an der Kreuzung Marktstraße/Felix-Wankel-Straße/Neuenstädter Straße gelegenen Platz den Namen "Deutschordensplatz" zu geben. Maßgebend für diese Entscheidung war der Wille des Gemeinderats, die besondere geschichtliche Verbundenheit der Stadt mit dem Deutschorden im Stadtzentrum besonders zum Ausdruck zu bringen. Um Verwechslungen auszuschließen, hielt es der Gemeinderat für angebracht, der "Deutschordenstraße" und der "Oberen Deutschordenstraße" - beide bilden einen Straßenzug - im Stadtteil Amorbach einen neuen Namen zu geben und sie nach dem früheren Landrat Eduard Hirsch, der sich um die Entwicklung dieses Stadtteils besonders verdient gemacht hatte, zu nennen.

Der Beschluss des Gemeinderats wurde den Anwohnern durch ein Schreiben des Bürgermeisteramts der Beklagten vom 21.5.1976 mitgeteilt.

Am 7.7.1976 teilte das Hauptamt der Beklagten den Anwohnern der Deutschordenstraße und der Oberen Deutschordenstraße in Amorbach mit, dass ihre Anwesen mit neuen Hausnummern versehen worden seien, und bar, die entsprechenden Änderungen vorzunehmen. Zu dieser Maßnahme sah sich die Beklagte veranlasst, weil sie Verwechslungen und Schwierigkeiten anderer Art befürchtet, wenn die derzeit bestehende gegenläufige Nummerierung (die Deutschordenstraße ist nur mit geraden -, die Oberen Deutschordenstraße nur mit ungeraden Hausnummern versehen) bei der neuen einheitlichen Straßenbezeichnung beibehalten würde.

Der Kläger hat sowohl gegen die Straßenumbenennung als auch gegen die Änderung seiner Hausnummer Widerspruch erhoben, den das Bürgermeisteramt der Beklagten durch Bescheid vom 10.8.1976 zurückwies. Mit dem Antrag, den Gemeinderatsbeschluss vom 13.5.1976 sowie die Bescheide vom 7.7. und vom 10.8.1976 aufzuheben, hat der Kläger das Verwaltungsgericht Stuttgart angerufen, das durch Urteil vom 16.12.1977 den Widerspruchsbescheid vom 10.8.1976, soweit er die Straßenumbenennung zum Gegenstand hatte, aufgehoben, im übrigen die Klage aber mit der Begründung abgewiesen hat, die Entscheidungen des Gemeinderats und des Hauptamts über die Straßenumbenennung und die Änderung der Hausnummern seien rechtlich nicht zu beanstanden.

Mit seiner Berufung macht der Kläger geltend: Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts handele es sich bei der Entscheidung, die Deutschordenstraße umzubenennen, um den Widerruf eines begünstigenden Verwaltungsakts und damit um eine Maßnahme, die nicht in einem weiten Ermessen der Gemeinde stehe, sondern nur unter den jetzt im § 49 VwVfG geregelten Voraussetzungen möglich sei. Im übrigen könnten die von der Beklagten angestellten Ermessenserwägungen auch nicht überzeugen. Es ergäbe sich, weil dem Deutschordensplatz keine Häuser zugeordnet seien, keine Verwechslungsgefahr bei der Postzustellung, wenn die alten Straßennamen in Amorbach beibehalten würden. Entscheidendes Motiv für die Maßnahme sei auch nicht eine solche Gefahr, sondern die Zusage an den früheren Landrat H. gewesen, zu seinem 80. Geburtstag eine Straße in Amorbach nach ihm zu benennen; eine solche Zusage widerspreche jedoch der allgemeinen Verwaltungspraxis, Straßen und Plätze nicht nach noch lebenden Persönlichkeiten zu benennen. Die Änderung der Hausnummern sei unvernünftig, weil nach dem derzeit bestehenden System noch andere Straßenzüge in Amorbach nummeriert seien und daher mit der Änderung eine neue Verwirrung gestiftet würde.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 16.12.1977 zu ändern und seiner Klage in vollem Umfang stattzugeben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und auf den Inhalt der dem Senat vorliegenden Behördenakten verwiesen.

Gründe

Die zulässige Berufung konnte keinen Erfolg haben, denn das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Das Verwaltungsgericht ist zutreffend von der Zulässigkeit der Anfechtungsklage ausgegangen. Das bedarf einer besonderen Begründung nicht, soweit der Bescheid des Hauptamts der Beklagten vom 7.7.1976 über die Änderung der Hausnummern Gegenstand dieser Klage ist. Mit ihr konnte aber unmittelbar auch der Gemeinderatsbeschluss vom 13.5.1976 über die Änderung des Straßennamens angefochten werden, weil - wie der Senat in seinen Urteilen vom 8.8.1977 - I 406/77 - und vom 5.3.1976 (BWVPr 1976, 202) ausführlich dargelegt hat - ein Gemeinderatsbeschluss, durch den der Name einer Straße im Gemeindegebiet festgelegt wird, selbst, also ohne dass es dazu noch eines besonderen Vollzugsakts des Bürgermeisters bedürfte, die für einen anfechtbaren Verwaltungsakt erforderliche, nach außen wirksame Regelung enthält. - An der Klagebefugnis des Klägers konnte nicht gezweifelt werden, da er zumindest geltend machen kann (vgl. § 42 Abs 2 VwGO), dass er durch die Änderung des Straßennamens und der Hausnummer in seinen Rechten verletzt sei.

In der Sache konnte der Senat eine solche Rechtsverletzung allerdings ebensowenig feststellen wie das Verwaltungsgericht.

Bei der rechtlichen Würdigung des Gemeinderatsbeschlusses, also der Entscheidung der Gemeinde, die Deutschordenstraße und die Obere Deutschordenstraße umzubenennen und ihnen gemeinsam den Namen Eduard-Hirsch-Straße zu geben, ist das Verwaltungsgericht zutreffend von § 5 Abs 4 Satz 1 GO ausgegangen, nach dem es eine der Gemeinde zustehende weisungsfreie Angelegenheit ist, die dem öffentlichen Verkehr dienenden Straßen des Gemeindegebiets innerhalb der bewohnten Ortsteile mit Namen zu versehen. Der Senat teilt auch die Ansicht des Verwaltungsgerichts, dass die Frage, ob und in welcher Weise eine Straße, die schon einen Namen trägt, umbenannt wird, grundsätzlich in dem auf dem Selbstverwaltungsrecht der Gemeinden beruhenden Ermessen des dafür zuständigen Gemeindeorgans steht, soweit - was hier nicht der Fall ist - diese Entscheidung nicht durch besondere gesetzliche Vorschriften gebunden ist. Dass die Gemeinde dieses Ermessen gegenüber dem Kläger verletzt hätte, konnte auch der Senat nicht feststellen.

Der Senat geht bei dieser Feststellung allerdings davon aus, dass dem Kläger ein subjektives Recht auf ein auch ihm gegenüber fehlerfrei ausgeübtes Ermessen zusteht. In seiner früheren Rechtsprechung hatte der Senat diese Frage offen gelassen, soweit es um Straßenumbenennungen ging (vgl. das Urteil vom 08.08.1977 - I 406/77 -), während er den Grundstückseigentümern bei der Änderung der Hausnummer eine entsprechende subjektive Rechtsstellung eingeräumt hatte (vgl. dazu Urteil vom 05.03.1976 aaO). Es gibt jedoch keinen vernünftigen Grund, unter den gleichen Erwägungen, die der Senat in diesem Urteil für das Recht des Grundstückseigentümers auf eine angemessene Berücksichtigung seiner Interessen bei einer Hausnummernänderung angeführt hat, auch die Straßenumbenennung als eine Entscheidung anzusehen, bei der die Gemeinde die Interessen der von dieser Maßnahme betroffenen Eigentümer von Grundstücken, die einer solchen Straße zugeordnet sind, zu berücksichtigen hat.

Entgegen der Ansicht des Klägers bedeutet diese Feststellung jedoch nicht, dass die Beklagte bei der Entscheidung über die Umbenennung der Deutschordenstraße und der Oberen Deutschordenstraße auch die Grundsätze über den Widerruf von begünstigenden Verwaltungsakten (vgl. jetzt § 49 Abs 2 LVwVfG, der beim Abschluss des Verwaltungsverfahrens noch nicht in Kraft war) hätte beachten müssen. Denn es handelt sich bei dem Gemeinderatsbeschluss, mit dem eine Straße mit einem Namen versehen wird, grundsätzlich nicht - wie der Kläger meint - um einen begünstigenden Verwaltungsakt, sondern um einen Organisationsakt, der zwar die Merkmale einer hoheitlichen Regelung, also eines Verwaltungsakts hat, aber nicht - auch nicht mittelbar, neben seiner eigentlichen organisatorischen Funktion - für einen bestimmten oder bestimmbaren Personenkreis ein Recht oder einen rechtlichen Vorteil (vgl. § 48 Abs 1 Satz 2 LVwVfG) begründet. Die im § 5 Abs 4 GemO BW getroffene Regelung dient ausschließlich dem Interesse der Allgemeinheit an einer klar durchschaubaren Gliederung des Gemeindegebiets; sie verschafft jedoch nicht den Eigentümern von Grundstücken in dem Gemeindegebiet eine Rechtsstellung, die durch eine Entscheidung der Gemeinde im Sinne dieser Vorschrift verbessert (oder auch eingeschränkt) werden kann. Diese Feststellung hat nichts mit der Frage zu tun, dass die Gemeinde - wie oben ausgeführt - die Interessen der Anlieger zu berücksichtigen hat, die sich auf einen schon vorhandenen Straßennamen, der geändert werden soll, eingestellt haben, denn der Umstand, dass sich die Gemeindebürger an eine organisatorische Maßnahme wie eine Straßenbenennung nicht nur halten, sondern sie auch zum Gegenstand eigener Dispositionen machen und damit ein Interesse daran begründen, diese organisatorische Entscheidung nicht zu ändern, macht den ursprünglichen Organisationsakt noch nicht zu einer begünstigenden Verwaltungsmaßnahme im Rechtssinne. Soweit der Senat in seinem Urteil vom 05.03.1976 (a.a.O.) zu dieser Frage eine andere Ansicht vertreten hat, hält er daran nicht mehr fest.

Für die Umbenennung der Deutschordenstraße und der Oberen Deutschordenstraße im Stadtteil Amorbach hat die Beklagte sachliche Gründe geltend gemacht. Es kann nicht ernsthaft bezweifelt werden, dass der Hinweis auf die enge historische Verbundenheit der Stadt Neckarsulm mit dem Deutschen Orden eine Erwägung ist, die den Gemeinderat der Beklagten im Rahmen des ihm zustehenden weiten Entscheidungsermessens dazu veranlassen konnte, einen im Stadtzentrum gelegenen Platz nach diesem Orden zu benennen. Ebensowenig kann dann aber die Entscheidung des Gemeinderats beanstandet werden, eine Straße in einem Außenbezirk der Stadt, die diesen Namen vorher trug, umzubenennen, um Verwechslungen auszuschließen (vgl. dazu auch das Urteil des Senats vom 08.08.1977 - I 406/77 -). Der Kläger kann dem mit dem Hinweis darauf, dass der Deutschordensplatz im Stadtzentrum unbebaut sei und deshalb bei der Postzustellung keine Schwierigkeiten bereiten werde, schon deshalb nicht mit Erfolg begegnen, weil die Gefahr von Verwechslungen bei gleich oder sehr ähnlich lautenden Straßenbezeichnungen und Platzbezeichnungen nicht nur im Postverkehr, sondern bei der Orientierung der Allgemeinheit im Stadtgebiet schlechthin besteht. Deshalb ist es für die Entscheidung über das Begehren des Klägers auch belanglos, dass der umstrittene Name hier in einem Fall auf eine Straße und im anderen auf einen Platz bezogen ist, denn auch wenn dem Kläger zuzugeben ist, dass die Verwechslungsgefahr in einem solchen Fall nicht so groß sein mag, wie wenn zwei Straßen oder zwei Plätze des Gemeindegebietes den gleichen Namen tragen, so konnte die Beklagte im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens gleichwohl davon ausgehen, dass für die getroffene Entscheidung jedenfalls deshalb sachliche Gründe vorliegen, weil die Gefahr von Verwechslungen auch hier nicht völlig ausgeschlossen werden kann.

Die vom Kläger gegen die Namensänderung geltend gemachten Interessen brauchten den Gemeinderat nicht zu veranlassen, den ursprünglichen Straßennamen beizubehalten. Der in der mündlichen Berufungsverhandlung zum Ausdruck gekommene Wunsch des Klägers, dadurch, dass sein Haus in der Deutschordenstraße liegt, seinerseits die durch seine frühere Heimat geprägte Beziehung zum Deutschen Orden zu dokumentieren, reicht für die Feststellung nicht aus, dass die Gemeinde ihr eigenes Interesse hätte zurückstellen und dem Platz in der Stadtmitte einen anderen Namen geben oder aber die Gefahr von Verwechslungen hätte ignorieren müssen. Die übrigen Nachteile, die dem Kläger durch die Änderung des Namens der Straße erwachsen, in der er wohnt (Mitteilung der geänderten Anschrift an Angehörige, Freunde, Behörden usw. möglicherweise Druck neuen Briefpapiers oder neuer Visitenkarten u.a.) teilt er mit allen anderen Bürgern die von einer solchen Maßnahme betroffen werden; diese Nachteile sind ihm, da hier für die Änderung ein sachlicher Grund besteht, zumutbar (vgl. dazu auch das Urteil des 10. Senats vom 20.05.1975 - X 1689/74 - zur Änderung einer Telefonnummer).

Nicht zu berücksichtigen brauchte die Beklagte im Rahmen ihrer Ermessensentscheidung über die Namensänderung den Einwand des Klägers, dass es keinen berechtigten Grund gebe, der Straße, in der er wohnt, in Zukunft den Namen "Eduard-Hirsch-Straße" zu geben. Hierbei handelt es sich um eine kommunalpolitische Erwägung der Beklagten, bei der Interessen des Klägers nicht zu berücksichtigen waren. Etwas anderes ergibt sich entgegen der Ansicht des Klägers nicht daraus, dass in dem Runderlass des Innenministeriums zur Gemeindeordnung für Baden-Württemberg vom 9.12.1977 (GABl. S. 1549) den Gemeinden empfohlen wird, bei der Benennung von Straßen, wenn nicht ganz besondere Umstände vorliegen, keine Namen noch lebender Persönlichkeiten zu verwenden (vgl. Nr 4 zu § 5 GemO BW), denn die in dem Runderlass ausgesprochene Empfehlung stellt jedenfalls keine Verbesserung einer Rechtsstellung des Klägers dar, die durch eine solche Entscheidung tangiert worden sein könnte (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Ebenso wie für die Umbenennung der Straße hatte die Beklagte auch für die Änderung der Hausnummer, die nicht der Gemeinderat zu beschließen brauchte, sondern von der Verwaltung selbst durchgeführt werden konnte (vgl. dazu auch das Urteil des Senats v. 08.08.1976 a.a.O.), einen vernünftigen sachlichen Grund, nämlich den, dass die bestehende Nummerierung (Deutschordenstraße nur gerade, Obere Deutschordenstraße nur ungerade Zahlen) dem Hausnummernerlass des Innenministeriums vom 8.7.1974 (GABl S 777) jedenfalls dann zuwiderlief, wenn beide Straßen, die einen Straßenzug bilden, in Zukunft einen einheitlichen Straßennamen erhalten. Der Hinweis des Klägers, dass die vorhandene Art der Numerierung auch bei anderen Straßen im Stadtteil Amorbach vorhanden sei, rechtfertigt den Vorwurf eines willkürlichen Vorgehens im vorliegenden Fall schon deshalb nicht, weil dort Straßen mit verschiedenen Straßennamen nur mit geraden bzw. ungeraden Hausnummern versehen sind, während es hier darum geht, eine solche Regelung durch die im Hausnummernerlass vorgesehene Nummerierung zu ersetzen, nachdem die namensrechtlich verschiedene Bezeichnung eines durchlaufenden Straßenzugs aufgegeben und durch einen einheitlichen Namen für die ganze Straße ersetzt worden ist.