Zuordnung der Handlungen eines Landrats zu Staat oder Kreis
BGH, Urteil vom 13.03.1952 - Az.: IV ZR 75/51
Leitsätze:
FĂŒr die Frage, ob aus VertrĂ€gen, die ein preuĂischer Landrat abgeschlossen hat, der Staat oder der Kreis verpflichtet wird, kommt es in den FĂ€llen, in denen bei Vertragsschluss nicht klar zutage getreten ist, in welcher seiner beiden amtlichen Eigenschaften der Landrat tĂ€tig werden wollte, darauf an, in welcher dieser Eigenschaften er tatsĂ€chlich tĂ€tig geworden ist, welchem der beiden amtlichen TĂ€tigkeitsbereiche des Landrats also der Vertrag zuzurechnen ist. (amtlicher Leitsatz)
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Tatbestand
Der KlĂ€ger war Oberinspektor des beklagten Kreises und EigentĂŒmer eines Hanomag-PKW. Am 21. MĂ€rz 1945 - 6 Tage vor dem Einzug der Amerikaner - stellte er dem stellvertretenden Landrat des beklagten Kreises auf dessen Bitten diesen Wagen fĂŒr eine Dienstfahrt zur VerfĂŒgung. Dieser erklĂ€rte ihm dabei, er werde dafĂŒr Sorge tragen, dass der KlĂ€ger seinen Wagen im fahrbereiten Zustand zurĂŒckerhalte; er fĂŒhrte seine Dienstfahrt auch aus. Der Wagen gelangte aber nicht an den KlĂ€ger zurĂŒck. Er wurde durch Kriegseinwirkungen zerstört.
Der KlĂ€ger macht geltend, der stellvertretende Landrat habe die Zerstörung des Wagens verschuldet, weil er ihn entgegen seinem Versprechen nicht nach Beendigung seiner Dienstfahrt zurĂŒckgegeben habe. FĂŒr sein Verschulden hafte der beklagte Kreis, weil der Landrat bei Abschluss des Leihvertrages als Vertreter des Kreises gehandelt habe. Der KlĂ€ger verlangt mit der Klage Ersatz des ihm entstandenen Schadens. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung ist zurĂŒckgewiesen worden. Die Revision fĂŒhrte zur Aufhebung und ZurĂŒckverweisung.
Gründe
Das Berufungsgericht geht zutreffend davon aus, dass Regierungsrat H. als stellvertretender Landrat die Rechtsstellung eines Landrats hatte und damit sowohl verfassungsmĂ€Ăig bestellter Vertreter des beklagten Kreises als auch, soweit er GeschĂ€fte der allgemeinen Landesverwaltung zu fĂŒhren hatte, Organ des Staates war. Soweit es sich um vertragliche Verpflichtungen handelt, die der Landrat in seiner amtlichen Eigenschaft begrĂŒndet, kommt es darauf an, ob er diese Verpflichtung fĂŒr den Kreis oder den Staat eingegangen ist. Wenn im Einzelfall nicht klar zutage tritt, fĂŒr welches der beiden von ihm vertretenen Gemeinwesen er den Vertrag geschlossen hat, ist entscheidend, welchem der beiden TĂ€tigkeitsbereiche des Landrats der Vertragsinhalt zuzurechnen ist. Mit Recht hat das Berufungsgericht dabei auf die stĂ€ndige Rechtsprechung des Reichsgerichts zur Frage der Amtshaftung fĂŒr Handlungen des Landrats verwiesen. Im Hinblick auf die Doppelstellung des preuĂischen Landrats hat das Reichsgericht darauf abgestellt, in welcher seiner beiden amtlichen Eigenschaften der Landrat im Einzelfall tĂ€tig geworden ist (RGZ 140, 126).
Das Berufungsgericht hat angenommen, dass Regierungsrat H. durch den Leihvertrag sowohl den beklagten Kreis als auch den Staat verpflichtet habe. Die Revision rĂŒgt mit Recht, dass das Berufungsgericht dafĂŒr keine ausreichenden Feststellungen getroffen hat. Zwar kommt es, wie das Berufungsgericht nicht verkannt hat, in erster Linie darauf an, ob der erkennbar zutage getretene Parteiwille darauf gerichtet war, auch den Kreis zu verpflichten. Das Berufungsgericht hat das bejaht. Es hat dies aber nur aus der negativen Tatsache geschlossen, dass Regierungsrat H. dem KlĂ€ger nicht ausdrĂŒcklich erklĂ€rt hat, in seiner Eigenschaft als Staatsbeamter handeln zu wollen. Das Berufungsgericht meint, es sei davon auszugehen, dass ein Wagen, den ein Landrat entleiht, ohne erkennbar zu machen, fĂŒr welches DienstgeschĂ€ft er ihn benötigt, sowohl fĂŒr kommunale als auch fĂŒr staatliche Dienstfahrten benutzt werden könne und dass der Vertrag demgemÀà sowohl fĂŒr den Kommunalverband als auch fĂŒr den Staat abgeschlossen werde.
Dieser Satz wĂŒrdigt nur die Tatsache, dass ĂŒber die Frage, in welcher seiner beiden amtlichen TĂ€tigkeiten der Landrat tĂ€tig werden will, bei Abschluss des Vertrages nichts gesagt worden ist. Sie steht aber im Widerspruch zu dem vom Berufungsgericht selbst in Anlehnung an die Rechtsprechung des Reichsgerichts aufgestellten, zutreffenden Satz, dass es in den FĂ€llen, in denen bei Vertragsabschluss nicht klar zutage getreten ist, in welcher seiner beiden amtlichen Eigenschaften der Landrat tĂ€tig werden wollte, darauf ankommt, in welcher dieser Eigenschaften er tatsĂ€chlich tĂ€tig geworden ist. FĂŒr den vorliegenden Fall ist daher entscheidend, welchem der beiden amtlichen TĂ€tigkeitsbereiche des Landrats die Dienstfahrt, fĂŒr die er den Wagen entlieh, zuzurechnen war, oder ob sie etwa beide Bereiche umfasste.