Datenbank zur Rechtsprechung im Kommunalrecht

Kleineinleiterabgabe: Rückwirkende Inkraftsetzung einer Satzung, Verrieselung häuslicher Abwässer

VG Karlsruhe, Urteil vom 15.07.1997 - Az.: 11 K 526/96

Leitsätze:

1. Die rückwirkende Inkraftsetzung einer Kleineinleiterabgabensatzung ist zulässig, wenn die Gemeinde vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens in ihrem Amtsblatt angekündigt hat, sie werde ab diesem Zeitpunkt von ihrer Möglichkeit zur Überwälzung der Kleineinleiterabgabe Gebrauch machen. (Leitsatz des Herausgebers)

2. Die Verrieselung häuslicher Abwässer stellt keine landbauliche Bodenbehandlung, sondern eine Einleitung ins Grundwasser dar. (Leitsatz des Herausgebers)

Kategorien:

Volltext

Gründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet, da der angegriffene Kleineinleiterbescheid der Beklagten in der Gestalt des Widerspruchsbescheids rechtmäßig ist und daher den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO).

Der angegriffene Bescheid findet seine Ermächtigungsgrundlage in der Kleineinleiterabgabesatzung der Beklagten, die ihrerseits rechtlich nicht zu beanstanden ist.

Entgegen der Auffassung des Klägers ist die rückwirkende Inkraftsetzung der Kleineinleiterabgabesatzung der Beklagten zum 1.1.1993 nicht zu beanstanden. Bei diesem rückwirkenden Inkrafttreten handelt es sich, wie zwischen den Beteiligten unstreitig ist, um eine echte Rückwirkung, da die Abgabepflicht an einen abgeschlossenen, in der Vergangenheit liegenden Sachverhalt anknüpft. Zwar sind nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Abgabengesetze mit echter Rückwirkung grundsätzlich unzulässig. Eine Ausnahme gilt jedoch dann, wenn das Vertrauen des Bürgers auf den Fortbestand des geltenden Rechts nicht schutzwürdig ist, weil (1) der Bürger nach der rechtlichen Situation in dem Zeitpunkt, auf den der Eintritt der Rechtsfolge vom Gesetz zurückbezogen wird, mit dieser Regelung rechnen musste oder (2) er auf das geltende Recht bei seinem Planen nicht vertrauen durfte, weil es unklar oder verworren ist, oder (3) der Gesetzgeber rückwirkend eine nichtige Bestimmung durch eine rechtlich nicht zu beanstandende Norm ersetzt oder (4) zwingende Gründe des gemeinen Wohls, die dem Gebot der Rechtssicherheit übergeordnet sind, eine Rückwirkungsanordnung rechtfertigen (vgl. BVerfG, Urt. v. 19.12.1961, BVerfGE 13, 261 [273]). Dabei entfällt die Schutzwürdigkeit des Vertrauens bei Gesetzen, die der Bundestag beschließt, nicht bereits mit der Einbringung eines Gesetzentwurfs, der Steuern erhöhen oder Steuerbegünstigungen beseitigen will, vielmehr entfällt hier das Vertrauen erst in dem Zeitpunkt, in dem der Bundestag das rückwirkende Gesetz beschlossen hat (vgl. BVerfG, Urt. v. 19.12.1961, BVerfGE 13, 261 [273], Beschl. v. 11.10.1962, BVerfGE 14, 288 [298], Beschl. v. 19.7.1967, BVerfGE 22, 241 [251], Beschl. v. 19.12.1967, BVerfGE 23, 12 [33]). Diese Grundsätze können jedoch nach Auffassung der Kammer nicht uneingeschränkt auf den vorliegenden Fall übertragen werden. Vielmehr hat die Beklagte in ihrem Amtsblatt angekündigt, von der ihr gesetzlich eröffneten Möglichkeit der Überwälzung der Kleineinleiterabgabe Gebrauch zu machen und demnach durch die Veröffentlichung in ihrem Publikationsorgan die Bürger bereits im Dezember 1992 darauf hingewiesen, dass sie mit der Überwälzung der Kleineinleiterabgabe für das Jahr 1993 rechnen müssen, so dass insoweit kein schutzwürdiges Vertrauen begründet werden konnte.

Auch im übrigen bestehen gegen die Gültigkeit der Abgabensatzung keine Bedenken. Die Bekanntmachung der Satzung im Murgtalboten entspricht § 4 Abs. 3 S. 1 GemO i. V. m. § 1 S. 1 DVO GO. Daß der Murgtalbote nur von Abonnenten bezogen wird, ist für die Frage der öffentlichen Bekanntmachung ohne Belang. § 4 KlES findet ihre Ermächtigungsgrundlage in § 6 Abs. 3 S. 1 LAbwAG, auch der Abgabensatz (§ 6 KlES) ist nicht zu beanstanden. Insoweit verweist die Kammer auf die zutreffenden Darlegungen im Widerspruchsbescheid und sieht gemäß § 117 Abs. 5 VwGO von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab. Der Abgabemaßstab in § 5 der KlES ist schon deshalb nicht zu beanstanden, weil dieser aus § 5 Abs. 3 i. V. m. § 4 Abs. 4 LAbwAG folgt.

Auch die tatbestandlichen Voraussetzungen der Satzung für eine Heranziehung des Klägers zu der Kleineinleiterabgabe sind gegeben. Sein Grundstück ist nicht an eine öffentliche Abwasserbehandlungsanlage angeschlossen, er leitet durch Verrieselung die auf seinem Grundstück anfallenden Abwässer in das Grundwasser ein. Für deren Einleitung ist die Gemeinde nach § 6 Abs. 1 LAbwAG abgabenpflichtig, so dass die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 2 S. 1 und 2 KlES gegeben sind. Selbst wenn man, wovon nach Auffassung der Kammer keine Rede sein kann, das Ausbringen der auf dem Grundstück des Klägers anfallenden (menschlichen) Fäkalien auf demselben Grundstück als landbauliche Bodenbehandlung ansehen wollte, wäre der Kläger abgabenpflichtig, da jedenfalls die Verrieselung der sonstigen häuslichen Abwässer aus Küche, Bad und Waschmaschine ohne Reinigung nicht als landbauliche Bodenbehandlung angesehen werden kann. Diese ist nämlich dadurch gekennzeichnet, dass Nährstoffe im Abwasser als landwirtschaftliche Düngemittel eingesetzt werden (Berendes/Winters, Das neue Abwasserabgabengesetz, 2. Aufl. S. 41). Davon kann bei einer Verrieselung von häuslichen Schmutzwässern, zumal an einer einzigen Stelle, nicht die Rede sein. Deshalb geht die Berufung des Klägers auf § 2 S. 3 KlES fehl.

Im übrigen liegen die weiteren Voraussetzungen für die Erhebung der Kleineinleiterabgabe nach § 3 Abs. 1, § 4 S. 1 sowie §§ 5 und 6 KlES ersichtlich und unbestrittenermaßen vor. Auf den Abgabebefreiungstatbestand in § 7 KlES kann sich der Kläger nicht berufen, da die Beseitigung der häuslichen Abwässer in einer offenen Zweikammer-Ausfaulgrube und durch Verrieselung ohne Reinigung in einem Verrieselungsgraben bei weitem und schon seit geraumer Zeit nicht den heute allgemein anerkannten Regeln der Technik entspricht.

Auch ansonsten ist der Bescheid der Beklagten nicht zu beanstanden. Dass der Kläger im Bescheid vom 20.2.1995 mit falschem Vornamen bezeichnet wurde, führt nicht mangels Bestimmtheit des Steuerschuldners zu dessen Rechtswidrigkeit (§ 11 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b LAbwAG i. V. § 157 Abs. 1 AO). Eine falsche Namensschreibung ist ebenso wie Versehen in der Anschrift nur dann rechtserheblich, wenn dadurch eine Unklarheit entsteht (vgl. Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung, § 157 Nr. 8). Dies ist hier nicht der Fall, da von Anfang an klar war, daß der Kläger als Eigentümer des Grundstücks F.-Straße 147 hat herangezogen werden sollen.

Darauf, ob es die Beklagte in den vergangenen Jahren versäumt hat, für einen Anschluss des Grundstücks des Klägers an den kommunalen Abwasserkanal zu sorgen, kommt es im vorliegenden Rechtsstreit nicht an. Das Abwasserabgabengesetz des Bundes (AbwAG) bestimmt in § 1, dass für das Einleiten von Abwasser in ein Gewässer im Sinne von § 1 Abs. 1 WHG eine Abgabe zu entrichten ist, wobei nach § 9 Abs. 1 AbwAG derjenige abgabenpflichtig ist, der Abwasser einleitet. Jedoch sind anstelle von Einleitern, die weniger als 8 m³ je Tag Schmutzwasser aus Haushaltungen oder ähnliches Schmutzwasser einleiten, von den Ländern zu bestimmende Körperschaften des öffentlichen Rechts abgabenpflichtig (§ 9 Abs. 2 AbwAG), die die bei ihnen erhobene Abgabe nach § 9 Abs. 2 AbwAG, § 6 Abs. 3 LAbwAG auf die Grundstückseigentümer überwälzen können.

Auch für einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) ist nichts ersichtlich. Insoweit verkennt der Kläger, daß auch die Grundstückseigentümer, welche an das öffentliche Entwässerungssystem angeschlossen sind, letztendlich die bei den Abwasserentsorgungsunternehmen erhobene Abwasserabgabe ebenso wie die sonstigen Entsorgungskosten tragen müssen. Bei seinem Hinweis auf die Unzulässigkeit einer Kleinstromerzeugerabgabe verkennt der Kläger, dass die Kleineinleiterabgabe nicht deshalb erhoben wird, weil der Kleineinleiter nicht an das öffentliche Abwassersystem angeschlossen ist, sondern deshalb, weil er Abwasser in ein Gewässer einleitet.