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Mündliche Zusage einer Räumungsentschädigung durch Leiter eines Liegenschaftsamts

LG Mannheim, Urteil vom 12.01.1966 - Az.: 5 S 74/64

Leitsätze:

1. Die Zusage einer Räumungsentschädigung, die der Leiter des Liegenschaftsamts einer Großstadt abgibt, kann unter die Geschäfte der laufenden Verwaltung dieser Behörde fallen und somit auch mündlich wirksam sein. (amtlicher Leitsatz)

2. Der Einwand einer Gemeinde, die von einem ihrer Bediensteten abgegebene Entschädigungszusage sei wegen der Nichteinhaltung der Schriftform unwirksam, verstößt gegen Treu und Glauben, wenn der für sie handelnde rechtskundige Beamte die Formbedürftigkeit des Rechtsgeschäfts kannte oder kennen mußte und trotzdem den rechtsunkundigen Vertragspartner über diese Wirksamkeitsvoraussetzung nicht belehrte, sondern dementgegen Erklärungen abgab, aus denen vernünftigerweise von einem Rechtsunkundigen nur die Folgerung gezogen werden kann, daß sie auch formlos Gültigkeit erlangen. (amtlicher Leitsatz)

3. Wenn sich der nach dem sachlichen Wirkungsbereich in erster Linie zuständige Behördenleiter gegenüber dem Vertragspartner in fiskalischen Rechtsbeziehungen so verhält, als wären ihm in der verhandelten Angelegenheit alle Befugnisse zur selbständigen Entscheidung übertragen, kann es dem Vertragspartner nicht zugemutet werden, sich dessen Bevollmächtigung im einzelnen nachweisen zu lassen, so daß die Gemeinde auch dann an den von ihrem Bediensteten ausgelösten Rechtsschein gebunden ist, wenn diesem eine selbständige Entscheidungsbefugnis nicht rechtswirksam übertragen wurde. (amtlicher Leitsatz)

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Gründe

1. Zu Unrecht beruft sich die Kl. darauf, daß der Vertrag über die Entschädigungszahlung nach § 125 BGB nichtig sei, weil die darin enthaltene Verpflichtungserklärung nach § 54 GemO der Schriftform bedurft hätte. Nach dieser Vorschrift sind zwar Verpflichtungserklärungen einer Gemeinde grundsätzlich nur dann wirksam, wenn sie schriftlich abgegeben werden. Diese Formvorschrift gilt aber nach § 54 Abs. 4 GemO nicht für ”Erklärungen in Geschäften der laufenden Verwaltung“. Die Kammer vertritt die Ansicht, daß es sich bei der Vereinbarung über die Zahlung einer Räumungsentschädigung von DM 800,— um ein Geschäft der laufenden Verwaltung handelte, das auch formlos gültig ist.

Unter „Geschäften der laufenden Verwaltung“ werden solche Angelegenheiten verstanden, die weder nach der grundsätzlichen Seite noch für den Gemeindehaushalt in der betreffenden Gemeinde eine erhebliche Rolle spielen und zu den normalerweise anfallenden Verwaltungsgeschäften dieser Gemeinde gehören (KunzeSchmid GemO 8 54 Anm. IV, $ 44 Anm. II 3 mit Rechtsprechungsnachweis). Der Gesichtspunkt der sachlichen Bedeutung des Geschäfts erfordert die Prüfung der politischen, wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen und finanziellen Auswirkungen, von denen festzustellen ist, ob sie, verglichen mit der Größe, Struktur und Leistungsfähigkeit der Gemeinde, erheblich sind; somit kann derselbe Vertrag, dem in einer kleinen Landgemeinde eine erhebliche, sachliche Bedeutung zukommt, in einer Großstadt zur laufenden Verwaltung gehören (Kunze-Schmid aaO). Das Kriterium der Häufigkeit des Geschäfts erfordert lediglich, daß Geschäfte der in Rede stehenden Art mehr oder weniger häufig wiederkehren, wobei keine Alltäglichkeit erforderlich ist (vgl. Kunze-Schmid aaO). Es liegt im speziellen Aufgabenbereich des Liegenschaftsamts der Stadt M., die städt. Grundstücke zu ‘verwalten und erforderlichenfalls für ihre möglichst schnelle Räumung durch etwaige Pächter zu sorgen, was angesichts des erheblichen Grundstücksbestands der Stadt und den Bedarf an diesen Flächen zu Bauzwecken für diese Behörde eine häufig wiederkehrende Angelegenheit darstellt; der Leiter dieser Behörde hat als Zeuge bekundet, daß er Verhandlungen über die Räumung stadteigener Grundstücke und die Entschädigung der Pächter „nahezu täglich“ zu führen hat. Der zugesagte Entschädigungsbetrag von DM 800,— stellt als einmalige Verpflichtung für den Finanzhaushalt der Großstadt M. auch keine wesentliche Belastung dar, zumal die Erfüllung dieser Verpflichtung der Stadt nicht unerhebliche Vorteile gebracht hätte, weil sie dann ohne ein zeitraubendes Gerichtsverfahren über das Grundstück für die von ihr behaupteten dringlichen öffentlichen Zwecke hätte unverzüglich verfügen können. Auch die behauptete Befürchtung, die Zahlung der Räumungsentschädigung könne dazu führen, daß sich andere Pächter im Räumungsfalle darauf berufen, so daß es hier um eine grundsätzliche Frage gehe, ist nicht begründet, denn die Entschädigung sollte ohne Anerkennung einer Rechtspflicht unter Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse des Einzelfalles gezahlt werden, wobei genügend besondere Gründe bei der Bekl. und ihrem schwerkriegsbeschädigten Ehemann vorgelegen haben. Es liegen somit die Erfordernisse vor, die von der Rechtsprechung und dem Schrifttum für die formlos gültigen Geschäfte der laufenden Verwaltung gestellt werden.

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