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Jahreskurbeitragspflicht für Inhaber einer Zweitwohnung

OVG Niedersachsen, Beschluss vom 30.05.2000 - Az.: 9 L 977/99

Leitsätze:

Die Pflicht des Inhabers einer nicht auf Dauer vermieteten Zweitwohnung zur Zahlung des (Jahres-)Kurbeitrags entsteht, sobald sich dieser im Erhebungsgebiet aufhält und objektiv die Möglichkeit hat, die Kureinrichtungen zu nutzen. Auf die Dauer des Aufenthalts und dessen Zweck kommt es insoweit grundsätzlich nicht an. (amtlicher Leitsatz)

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Volltext

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Oldenburg vom 4. Juni 2014 - 2 Ca 78/14 Ö - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um Urlaubsansprüche vor dem Hintergrund der Frage, ob der Klägerin während eines Kuraufenthaltes Erholungsurlaub erteilt wurde oder ob das beklagte Land während dieser Zeit zur Entgeltfortzahlung verpflichtet war.

Die Klägerin steht seit 2002 in einem Arbeitsverhältnis zum beklagten Land; kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme findet der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) Anwendung.

Mit Schreiben vom 2. Juli 2013 (Bl. 4 d.A.) teilte die AOK N. (im Folgenden: AOK), bei der die Klägerin gesetzlich krankenversichert ist, ihr mit, sie beteilige sich an den Kosten für eine ambulante Vorsorgekur ab dem 4. Oktober 2013 auf der Insel L. für die Dauer von 21 Tagen. Laut dem Schreiben übernahm die AOK die kurärztliche Behandlung und die Kuranwendungen abzüglich einer Verordnungsgebühr und einer Zuzahlung. Für andere Kosten wie Kurtaxe, Fahrtkosten, Unterkunft und Verpflegung gewährte sie einen täglichen Zuschuss von 13 Euro. Das Schreiben führt weiter aus, die Kostenbeteiligung setze einen Kuraufenthalt von 21 Kalendertagen voraus, weil der Kurerfolg sonst nicht gesichert sei.

Mit Bescheinigung vom 7. Mai 2013 (Bl. 6 d.A.) war der Klägerin bescheinigt worden, dass „aus hautfachärztlicher Sicht ... die Durchführung einer ambulanten Kur wegen der Heilungsfunktion des Nordseeklimas empfehlenswert“ sei. Mit Schreiben vom 27. September 2013 (Bl. 7 d.A.) bescheinigte der Hausarzt, die Klägerin leide an „multiplen Erkrankungen“; „zur Erhaltung der Arbeitsfähigkeit und zur Verbesserung des Allgemeinzustandes“ sei eine ambulante Vorsorgekur ärztlicherseits anzuraten. Ambulante Maßnahmen am Wohnort seien ausgeschöpft, hätten aber nicht den erwünschten Erfolg gebracht. Es seien Kurmaßnahmen im Reizklima der Nordsee erforderlich. Während der Maßnahme, welche die Klägerin während eines privat durchgeführten dreiwöchigen Aufenthaltes auf L. erhielt, bescheinigte der Badearzt: „Inselklima an Nordsee unabdingbar für Erkrankung (sic) von Frau S.“ (Bl. 8 d.A.). Eine weitere Bescheinigung stellte ein Facharzt für Orthopädie am 28. Oktober 2013 aus (Bl. 9 d.A). Sie lautet: „Die Durchführung der erfolgten Rehabilitationsmaßnahme war selbstverständlich notwendig, sonst wäre sie nicht beantragt worden. Die Patientin war in der Zeit der Reha nicht in der Lage ihrer regulären Tätigkeit nachzugehen“.

Die Klägerin hat behauptet, sie habe während ihres - als solchem unstreitigen - Aufenthalts auf L. in der Zeit vom 4. bis 25. Oktober 2013 Kuranwendungen erhalten, die ihre ganztägige Anwesenheit auf der Insel erfordert hätten. Sie habe täglich Inhalationen und mindestens zwei weitere Anwendungen erhalten. Der Kurarzt habe ihr sechsmal Mehrwasserwarmbäder, Bewegungsbäder, Massagetherapie, Schlickpackungen und Lymphdrainage verschrieben. Sie hat die Auffassung vertreten, das beklagte Land hätte die Abwesenheitszeit nicht als Urlaub betrachten dürfen. Gemäß § 29 Abs. 1 Buchst, f) TV-L stehe ihr Entgeltfortzahlung für die Maßnahme zu, denn diese sei medizinisch notwendig gewesen. Das ergebe sich sowohl aus der Genehmigung durch die AOK als auch aus den ärztlichen Bescheinigungen. Auch aus § 9 Abs. 1 EFZG folge der Anspruch. Das Schreiben der AOK stelle eine Bewilligung durch die Krankenkasse in Form eines Verwaltungsaktes dar. Dass es sich um eine ambulante Kurmaßnahme handle, sei unschädlich, zumal die Art und Anzahl der Kuranwendungen einen urlaubsmäßigen Zuschnitt des Aufenthalts unmöglich gemacht hätten. Die Anwendungen seien auch in einer qualifizierten Kureinrichtung durchgeführt worden.

Die Klägerin hat beantragt,

festzustellen, dass das beklagte Land verpflichtet ist, ihr 16 Tage restlichen Urlaub für das Kalenderjahr 2013 zu gewähren.

Das beklagte Land hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es hat gemeint, die Voraussetzungen für eine Arbeitsbefreiung nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz oder dem TV-L seien nicht gegeben, und beanstandet, Nachweise für die konkreten Anwendungen und Behandlungen seien nicht erbracht. Dies sei nach der Tarifnorm aber erforderlich; deren Auslegung ergebe im Übrigen, dass derart lange Abwesenheitszeiträume von ihr nicht erfasst seien. Bei der Maßnahme handele es sich auch nicht um eine ambulante Vorsorgekur im Sinne von § 9 Abs. 1 EFZG. Dass die AOK lediglich eine Kostenbeteiligung zugesagt habe, stelle keine Bewilligung im Sinne dieser Norm dar. Jedenfalls habe der Aufenthalt urlaubsmäßigen Zuschnitt aufgewiesen. Tagesfüllende, die Lebensführung bestimmende Anwendungen seien wohl nicht erfolgt. Eine dreiwöchige Abwesenheit sei nicht erforderlich gewesen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt: § 29 Abs. 1 Buchst, f) TV-L gewähre der Klägerin keinen Anspruch. Die Norm sei restriktiv auszulegen, wie die Bezugnahme auf § 616 BGB zeige. Dreiwöchige Kurmaßnahmen seien davon nicht gedeckt. Auch habe die Klägerin nicht dargelegt, dass ein so langer Aufenthalt erforderlich gewesen sei. Der Anspruch folge auch nicht aus § 9 Abs. 1 EFZG. Eine vorherige Bewilligung durch die AOK im Sinne eines förmlichen Bewilligungsbescheides habe nicht vorgelegen. Das Schreiben bewillige auch keine Vorsorgekur, sondern sage nur eine Kostenbeteiligung zu. Zudem handle es sich bei der Kureinrichtung nicht um eine solche der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation. Auch sei nicht ersichtlich, weshalb der Kuraufenthalt erforderlich gewesen sei.

Gegen das ihr am 16. Juni 2014 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat die Klägerin am 16. Juli 2014 Berufung eingelegt und diese am 11. August 2014 begründet.

Die Berufung führt aus: Der Anspruch folge aus § 29 Abs. 1 Buchst. f) TV-L ebenso wie aus § 9 EFZG in Verbindung mit § 10 BUrlG, Die Anwendungen seien ärztlich verordnet sowie von der AOK bewilligt und bezahlt worden und damit erforderlich gewesen. Das Schreiben der AOK habe den Charakter eines Bescheides und gebe auch die Dauer der Kurmaßnahme mit 21 Tagen vor. Es sei nicht entscheidend, ob eine stationäre Behandlung hätte angeboten oder durchgeführt werden können. Unter Berücksichtigung der langen Beschäftigungsdauer, welche die Klägerin bei dem beklagten Land zurückgelegt habe, könne auch nicht von einer langen Abwesenheit gesprochen werden. Die Voraussetzungen des § 23 SGB V lägen vor.

Die Klägerin beantragt nach Rücknahme eines Teils der Klage noch,

das Urteil des Arbeitsgerichts Oldenburg vom 4. Juni 2014 abzuändern und festzustellen, dass das beklagte Land verpflichtet ist, ihr 15 Tage restlichen Urlaub aus dem Kalenderjahr 2013 zu gewähren.

Das beklagte Land beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Es bestreitet gesundheitliche Beschwerden der Klägerin, die Richtigkeit der von der Klägerin vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen, das Vorbringen, wonach das Kur- und Wellnesscenter L. die Voraussetzungen eines qualifizierten Kurbetriebes erfülle, und die Behauptung, die Klägerin habe die Heilbehandlungsanwendungen tatsächlich wahrgenommen. Es trägt vor, bei durchschnittlich drei Behandlungen am Tag hätte ein Aufenthalt von zehn Kalendertagen ausgereicht. Eine Entgeltfortzahlungspflicht entfalle schon, weil die Klägerin sich geweigert habe, detaillierte Nachweise der Kuranwendungen vorzulegen. Es vertritt die Auffassung, § 29 Abs. 1 TV-L sei nicht auf eine langfristige Abwesenheit anzuwenden, wie sie hier vorliege. Die Anforderungen des § 107 Abs 2 SGB V seien nicht erfüllt. Der Kuraufenthalt weise urlaubsmäßigen Zuschnitt auf und sei daher nicht von der Entgeltfortzahlungspflicht umfasst.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Gründe

Die Berufung bleibt erfolglos.

I.

Die gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1, 2 ArbGG statthafte Berufung der Klägerin ist von dieser fristgemäß und formgerecht eingelegt und begründet worden (§ 66 Abs. 1, 2 ArbGG, §§ 519, 520 Abs. 1, 2 ZPO) und damit insgesamt zulässig.

II.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Arbeitsverhinderung der Klägerin beruhte weder auf einer Maßnahme der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation im Sinne von § 9 Abs. 1 EFZG noch auf einer ärztlichen Behandlung gemäß § 29 Abs. 1 f) TV-L.

1.

Die Klägerin hat nicht schlüssig dargelegt, dass die Voraussetzungen für eine Entgeltfortzahlung nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EFZG vorliegen.

a)

Nach dieser Vorschrift kann Entgeltfortzahlung beansprucht werden für die Arbeitsverhinderung in Folge einer Maßnahme der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation, die ein Träger der gesetzlichen Renten-, Kranken- oder Unfallversicherung, eine Verwaltungsbehörde der Kriegsopferversorgung oder ein sonstiger Sozialleistungsträger bewilligt hat und die in einer Einrichtung der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation durchgeführt wird.

Im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung liegt unter anderem nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 SGB V eine medizinische Vorsorgemaßnahme vor, wenn ärztliche Behandlung und Versorgung mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln notwendig sind, um eine Schwächung der Gesundheit, die in absehbarer Zeit voraussichtlich zu einer Krankheit führen würde, zu beseitigen. Gleiches gilt gemäß § 23 Abs. 1 Ziff. 3 SGB V bei der Verhütung von Krankheiten oder der Vermeidung ihrer Verschlimmerung. Keine medizinischen Vorsorge- oder Rehabilitationsmaßnahmen im Sinne des § 9 Abs. 1 EFZG sind sogenannte Erholungskuren, die ohne akuten Krankheitsanlass nur der Vorbeugung gegen allgemeine Abnutzungserscheinungen oder der bloßen Verbesserung des Allgemeinbefindens dienen beziehungsweise die in einem urlaubsmäßigen Zuschnitt verbracht werden können (Schmitt, EFZG, 7. Auflage, § 9, Rz. 26 mwN; Geyer/Knorr/Krasney, Entgeltfortzahlung/Mutterschaftsgeld, Stand: Januar 2015, § 9 EFZG, Rz. 20). Ob eine Einrichtung der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation vorliegt, bestimmt sich nach der sozialrechtlichen Legaldefinition in § 107 Abs. 2 SGB V, denn die Neuformulierung des § 9 EFZG sollte auch der formalen Anpassung an die sozialversicherungsrechtlichen Regelungen dienen (BT-Drs. 12/5263, S. 15; Vogelsang, EFZG, Rz. 746 mwN).

b)

Bei Anwendung dieser Grundsätze besteht vorliegend keine Entgeltfortzahlungspflicht aus § 9 Abs. 1 Satz 1 EFZG. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die mit Schreiben der AOK vom 2. Juli 2013 zugesagte Kostenbeteiligung die Bewilligung eines Sozialleistungsträgers im Sinne dieser Norm darstellt. Die Klägerin hat nämlich schon nicht nachvollziehbar dargelegt, dass die Kur nicht nur der Vorbeugung gegen allgemeine Abnutzungserscheinungen oder der bloßen Verbesserung des Allgemeinbefindens dienen sollte, sondern dass ihr ein akuter Krankheitsanlass zugrunde lag, und dass der Kuraufenthalt nicht im Rahmen eines urlaubsmäßigen Zuschnitts durchgeführt werden konnte.

Das Schreiben der AOK enthält zu beiden Fragen keine Angaben. Aus den ärztlichen Bescheinigungen lässt sich gleichfalls nicht die Überzeugung gewinnen, dass ohne die Kur die Gesundheit der Klägerin derart geschwächt worden wäre, dass dies in absehbarer Zeit voraussichtlich zu einer Krankheit geführt hätte, dass eine Krankheit verhütet oder deren Verschlimmerung vermieden worden wäre. Der Bericht des Kurarztes spricht in seinem Schlussbefund lediglich von einem gebesserten Allgemeinzustand, was für eine bloße Erholungskur spricht. Etwas anderes ergibt sich nicht aus der Bescheinigung der Dermatologin, welche „aus hautfachärztlicher Sicht ... die Durchführung einer ambulanten Kur wegen der Heilungsfunktion des Nordseeklimas“ für „empfehlenswert“ erachtet. Die Verwendung des Wortes „Heilungsfunktion“ gibt keinen Aufschluss darüber, ob und, falls ja, welche Krankheit behandelt werden sollte; möglicherweise sollte nur eine aus Sicht der Ärztin vorliegende Eigenschaft des Klimas ohne Bezug auf die konkreten Beschwerden der Klägerin beschrieben werden. Dass die Bescheinigung die Maßnahme nur als „empfehlenswert“ bezeichnet, spricht zudem eher gegen deren Erforderlichkeit. Der Hausarzt bescheinigt der Klägerin nur sehr unspezifisch „multiple Erkrankungen“ und begründet die ambulante Vorsorgekur mit der Erhaltung der Arbeitsfähigkeit und der Verbesserung des Allgemeinzustandes. Dies reicht nicht aus, um dem Gericht eine Abgrenzung zwischen der bloßen Erholungskur und der gezielten therapeutischen Maßnahme in Sinne von § 23 Abs. 1 SGB V zu ermöglichen. Auch die in der nachträglich erstellten Bescheinigung eines Orthopäden und Unfallchirurgen verwendete Formulierung, die Maßnahme sei „selbstverständlich notwendig“ gewesen, denn sonst wäre sie nicht beantragt worden, gibt keinen weiteren Aufschluss. Dem beklagten Land weitere Unterlagen vorzulegen, weigerte sich die Klägerin und hat solche auch im Prozess nicht beigebracht.

Darüber hinaus weist der Kuraufenthalt auch urlaubsmäßigen Zuschnitt auf, was einer Maßnahme im Sinne von § 9 Abs. 1 Satz 1 EFZG entgegensteht. Das beklagte Land hebt zu Recht darauf ab, dass die Klägerin bei nur wenigen Anwendungen pro Tag im Wesentlichen ihre Lebensführung frei bestimmen konnte. Wurden ihr, wie sie vorträgt, insgesamt 30 Anwendungen verordnet, so entfallen auf jeden Behandlungstag im Durchschnitt ihrer drei. Daraus folgt, dass die Klägerin, von den ambulanten Anwendungen abgesehen, ihren dreiwöchigen Aufenthalt auf Langeoog vergleichbar einem Erholungsurlaub ohne wesentliche Einschränkungen frei zu gestalten in der Lage war.

2.

Der Anspruch ergibt sich auch nicht aus § 29 Abs. 1 Buchst. f) TV-L.

a)

Nach dieser Norm gilt als Fall nach § 616 BGB eine ärztliche Behandlung, die während der Arbeitszeit erfolgen muss, während einer erforderlichen nachgewiesenen Abwesenheitszeit.

b)

Diese Voraussetzungen werden durch die von der Klägerin durchgeführte Kur nicht erfüllt.

aa)

Der Wortlaut der einschlägigen tariflichen Regelungen, von dem bei der Tarifauslegung vorrangig auszugehen ist (vgl. BAG 14.09.2011 - 10 AZR 358/10 - NZA 2011, 1358; 23.02.2011 - 10 AZR 299/10 - ZTR 2011, 491; 24. Februar 2010 - 10 AZR 1035/08 - AP TVG § 1 Auslegung Nr. 220), stützt die Auslegung der Klägerin nicht. Geregelt wird danach, welche „nachstehend aufgeführten Anlässe ... als Fälle nach § 616 BGB (gelten), in denen Beschäftigte unter Fortzahlung des Entgelts in dem angegebenen Ausmaß von der Arbeit freigestellt werden“. Das in Bezug genommene Gesetz aber setzt voraus, dass es sich um eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit handelt. Ein dreiwöchiger Kuraufenthalt kann darunter nicht subsumiert werden. Der Argumentation der Klägerin, es sei auch darauf abzustellen, wie lange sie sich bereits in einem Arbeitsverhältnis zu dem beklagten Lande befunden habe, folgt das Berufungsgericht nicht. Sähe man es anders, so wäre jedenfalls zu berücksichtigen, dass die Klägerin bereits in der Vergangenheit mindestens einmal eine solche Maßnahme durchgeführt und hierfür zumindest teilweise Entgelt fortgezahlt erhalten hat. Dann aber kann auch im Verhältnis zur Dauer des Arbeitsverhältnisses nicht von einer „nicht erheblichen“ Fehlzeit gesprochen werden. Im Übrigen ist auch die Voraussetzung einer ärztlichen Behandlung nicht erfüllt. Diese setzt wiederum voraus, dass ein Bezug zu einer bestimmten Erkrankung besteht, die verhütet oder deren Verschlimmerung vermieden werden soll. Hierzu hat die Klägerin, wie oben ausgeführt, jedoch keinen hinreichenden Sachvortrag gehalten.

bb)

Auch die Systematik der Tarifregelung steht deren Auslegung im Sinne der Klägerin entgegen, Die in den Buchstaben a) bis e) genannten Anlässe lösen sämtlich nur einen zusammenhängenden Entgeltfortzahlungsanspruch zwischen einem und maximal vier Tagen aus. Einen mehrwöchigen Kuraufenthalt als „ärztliche Behandlung, die während der Arbeitszeit erfolgen muss“ hierunter zu fassen, widerspräche dieser Systematik.

cc)

Auch aus Sinn und Zweck der Regelung ergibt sich nicht, dass die Tarifparteien einen so weitgehenden Anspruch, wie ihn die Klägerin begehrt, schaffen wollten. Erklärtermaßen (§ 29 Abs. 1 Satz 1 TV-L: „Nur die nachstehend aufgeführten Anlässe...“) sollen die Fälle, in denen nach § 616 BGB Entgelt fortzuzahlen ist, abschließend geregelt werden. Daraus kann nicht geschlossen werden, dass für Konstellationen, die schon nicht unter das Gesetz fallen, weitergehende Ansprüche bestehen sollen, noch dazu in zeitlich für den Arbeitgeber unabsehbarem Ausmaße. Ersichtlich hatten die Tarifparteien vor allem den Fall im Auge, dass ein Arztbesuch (nebst Wegezeiten) nur während der Arbeitszeit erfolgen kann. Dies erklärt auch, weshalb einzig Buchstabe f) keine konkrete zeitliche Begrenzung enthält: in der Regel werden sich hierauf gestützte Fehlzeiten nicht über mehrere Tage hintereinander erstrecken.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

IV.

Die Zulassung der Revision ergibt sich aus der grundsätzlichen Bedeutung der zu entscheidenden Rechtsfragen, § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.