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Schadensersatz wegen nicht bekanntgemachter Chlorung von Trinkwasser

BGH, Urteil vom 09.05.1955 - Az.: II ZR 31/54

Leitsätze:

1. Für Schadensersatzansprüche gegen eine Stadtgemeinde wegen Lieferung schädlichen Leitungswassers aus einem als Gemeindeanstalt betriebenen Wasserwerk ist der Zivilrechtsweg auch insoweit gegeben, als der Klageanspruch aus der Verletzung einer öffentlich-rechtlichen Pflicht hergeleitet wird. (amtlicher Leitsatz)

2. Wenn die Stadtgemeinde damit rechnen musste, dass die angeordnete Chlorung des Wassers nach deren Stärke bei unveränderter Verwendung für bestimmte betriebliche Zwecke Schaden verursachen könnte, so war sie verpflichtet, die Chlorung und ihr Maß bekanntzumachen und auf die Möglichkeit von Schäden hinzuweisen. (amtlicher Leitsatz)

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Volltext

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts in Nürnberg vom 27. November 1953 aufgehoben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an den 3. Zivilsenat des Berufungsgerichts verwiesen.

Tatbestand

Die Klägerin ist ein Großbetrieb, der sich insbesondere mit der Konservierung von Gurken befaßt. Sie hat hierbei dadurch Schaden erlitten, daß die eingelegten Gurken aus der Ernte 1948 in ca 300 Fässern von insgesamt 844 Fässern durch Weichwerden verdorben sind. Die Klägerin führt diesen Schaden auf die Chlorung des Wassers zurück, das sie für ihren Gewerbebetrieb aus dem Wasserwerk der beklagten Stadtgemeinde bezogen und für die Herstellung der zur Gurkenkonservierung als Hilfsstoff benötigten Salzlake verwendet hat.

Die Beklagte begann am 7. Juni 1948 auf Befehl der Militärregierung, das Leitungswasser mit Chlor zu versetzen. Zunächst wurde eine geringere Chlorung angeordnet und durchgeführt. Sie wurde ab 9. Dezember 1948 in erhöhtem Maße fortgesetzt.

Die Klägerin hat die Gurken in der Zeit vom 5. August 1948 bis 29. September 1948 in Salzlake eingelegt und die Fässer während des Gärungsprozesses, der nach ihrer Behauptung 6 bis höchstens 8 Wochen dauert, häufiger mit Salzlake, später seltener, nachgefüllt.

Die Klägerin meint, die Beklagte sei für den eingetretenen Schaden deshalb verantwortlich, weil sie es unterlassen habe, die Tatsache der Chlorung bekannt zu machen und dabei vor möglichen Schäden zu warnen. Die Klägerin hat vorgetragen, sie habe von der Tatsache der Chlorung erst um die Weihnachtszeit 1948 und nicht vor dem Zeitpunkt erfahren, zu dem die ersten Feststellungen über den Verderb der Gurken getroffen worden seien. Sie hat ihren Schaden auf 71.651,28 DM beziffert und diesen Betrag nebst Zinsen eingeklagt.

Die Beklagte hat die Abweisung der Klage beantragt. Sie hat bestritten, daß der Chlorgehalt des Wassers den Schaden verursacht habe und daß sie verpflichtet gewesen sei, die Chlorung bekannt zu machen. Wenn eine solche Verpflichtung bestanden hätte, so würde es jedenfalls an dem ursächlichen Zusammenhang zwischen der Unterlassung und dem Schadenseintritt fehlen, da die Klägerin wegen Unkenntnis ihres Betriebsleiters über die Wirkungen der Chlorung auf ihren Betrieb keine Schutzmaßnahmen ergriffen haben würde. Zudem beschränke sich nach den Satzungen der städtischen Werke ihre Haftung auf grobe Fahrlässigkeit, die ihr keinesfalls vorgeworfen werden könne. In jedem Falle hätte die Klägerin den Schaden überwiegend schuldhaft verursacht, so daß ein etwaiges Verschulden der Beklagten außer Betracht zu bleiben hätte.

Die Klägerin hat erwidert, sie wäre schon durch eine amtliche Bekanntmachung der Chlorung veranlaßt worden, eine Entchlorungsanlage einzubauen oder ein anderes geeignetes Mittel anzuwenden, wodurch der Schaden vermieden worden wäre. Die Beklagte sei jedoch nicht nur zur Bekanntgabe der Chlorung, sondern auch verpflichtet gewesen, ihre Abnehmer von Leitungswasser über die möglichen Folgen des Chlorens aufzuklären, zumal sie eine eigene Chemische Untersuchungsanstalt besitze. Die Verwendung von Bakterien in bestimmten Zweigen der Lebensmittelindustrie und ihre Vernichtung durch Chlor hätte der Chemischen Untersuchungsanstalt ohne weiteres bekannt sein müssen. Die Beklagte sei zudem bereits im Juni oder Juli 1948 durch Vorstellungen der Hefefabrik B. AG in N./Bu. auf Schäden hingewiesen worden, die bei dieser Firma durch Benutzung von Chlorwasser entstanden seien, und hierdurch sowie durch andere Beschwerden auch auf die Notwendigkeit, zumindest diejenigen Verbraucher, die auf bakteriologischer Grundlage arbeiten, über die Chlorung näher aufzuklären und vor der Benutzung gechlorten Wassers zu warnen. Auf eine einseitige Haftungsbeschränkung durch die Satzung, die einen Anschluß- und Benutzungszwang statuiere, könne sich die Beklagte nicht berufen. Hierauf komme es aber deshalb nicht an, weil die Beklagte mindestens grob fahrlässig gehandelt habe.

Das Landgericht hat die Beklagte unter Abweisung der Mehrforderung verurteilt, an die Klägerin 70.000 DM nebst 9,25 % Zinsen vom 1. Juni 1949 bis zum 30. September 1950 und 11,25 % ab 1. Oktober 1950 zu zahlen.

Das Oberlandesgericht hat auf die Berufung der Beklagten, nachdem es die Verhandlung durch Beschluß vom 12. Juni 1953 auf den Grund des Anspruchs beschränkt hatte, die Klage in vollem Umfang abgewiesen.

Mit der Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils, während die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Gründe

I.

Vorweg ist von Amts wegen die Zulässigkeit des ordentlichen Rechtswegs für den erhobenen Anspruch zu prüfen. Das Berufungsgericht nimmt an, daß die Klägerin einen privatrechtlichen Schadensersatzanspruch gegen die Stadt wegen Verletzung ihrer Pflichten bei der Lieferung von Wasser durch die städtische Wasserleitung geltend mache. Ob es sich um öffentlich-rechtliche oder bürgerlich-rechtliche Beziehungen handelt, hängt indes davon ab, ob das Rechtsverhältnis privatrechtlich oder in einer dem privaten Unternehmer nicht zur Verfügung stehenden Rechtsform öffentlich-rechtlich, gestaltet ist. Ein von einer Gemeinde errichtetes Wasserwerk kann als gewerbliches Unternehmen oder als eine öffentliche Anstalt betrieben werden. Was im einzelnen Fall die Gemeinde bei der Errichtung eines solchen Werkes beabsichtigt hat ist Tatfrage (RGZ 148, 326, 329; RG ZAK 1937, 376).

Die Wasserversorgung der beklagten Stadtgemeinde ist in der Satzung der Werke und Bahnen vom 31. Mai 1941 (ABl der Stadt Nürnberg vom 30. Mai 1941 Nr. 42 S. 381) geregelt. Diese Satzung ist von dem Oberbürgermeister der Stadt u.a. auf Grund der §§ 3 und 18 der Deutschen Gemeindeordnung und des § 8 des Bayerischen Gemeindeabgabengesetzes vom 20. Juli 1938 (GVBl S. 225) mit Genehmigung des zuständigen Regierungspräsidenten erlassen. Sie statuiert in § 28 einen Anschluß-, in § 29 einen Benutzungszwang. Nach § 29 ist auf Grundstücken die an die städtische Wasserleitung angeschlossen sind, das gesamte Trink- und Gebrauchswasser ausschließlich aus der städtischen Wasserversorgung zu decken. Eine Befreiung von dieser Verpflichtung tritt nur ausnahmsweise ein, wenn oder soweit diese Pflicht aus besonderen Gründen auch unter Berücksichtigung des Gemeinwohls nicht geltend gemacht werden kann. Bei Zuwiderhandlungen gegen Bestimmungen der Satzung kann der Oberbürgermeister nach vorheriger schriftlicher Androhung und nach Ablauf der gesetzten Frist ein Zwangsgeld festsetzen, das im Verwaltungszwangsverfahren beigetrieben werden kann (§ 37). Die Satzung spricht dafür, daß das Wasserwerk der Beklagten als eine Gemeindeanstalt betrieben wird und daß Bereitstellung und Benutzung des Wasserwerks nach öffentlichem Recht infolge Zwanges und nicht im Rahmen der Vertragsfreiheit erfolgt. Es kann jedoch dahin gestellt bleiben, ob die Rechtsbeziehungen zwischen der Klägerin und dem städtischen Wasserwerk ihre Grundlage nur in der Satzung haben und hierdurch ein öffentlich-rechtliches Verhältnis geschaffen ist. Denn auch öffentlich-rechtliche Verhältnisse können Rechte und Pflichten erzeugen, die nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts zu beurteilen sind und deren Verletzung zum Ersatz des dadurch dem anderen Teile zugefügten Schadens nach eben diesen Vorschriften verpflichtet. Unter diesem Gesichtspunkt hat das Reichsgericht die Zulässigkeit des Rechtswegs für Schadenersatzansprüche wegen Verletzung der Pflicht zur Lieferung einwandfreien Trinkwassers auch für den Fall bejaht, daß diese Pflicht auf öffentlich-rechtlicher Grundlage entstanden ist (vgl. RGZ 152, 129, 131/132). Der Rechtsweg ist daher auch insoweit zulässig, als die Klägerin geltend macht, die Beklagte sei auf vertraglicher oder vertragsähnlicher Grundlage verpflichtet gewesen, die Chlorung öffentlich bekannt zu machen oder die in Betracht zu ziehenden Betriebe in anderer Weise von der Chlorung in Kenntnis zu setzen und auf mögliche Schäden hinzuweisen.

II.

Das Berufungsgericht ist der Ansicht, die Beklagte sei verpflichtet gewesen, die Chlorung des Wassers sofort amtlich bekannt zu geben, da das gechlorte Wasser, wenn auch geringe, Mengen aktiven Chlors enthält, der vor allem für die gewerblichen Verbraucher unter Umständen sehr schädlich sein könne. Dem Berufungsgericht ist darin beizutreten, daß die Beklagte zur Bekanntgabe der Chlorung in dem vorgenommenen Ausmaß verpflichtet war. Diese Pflicht bestand für sie dann, wenn sie mit der Möglichkeit rechnen mußte, daß die Chlorung in der von ihr vorgenommenen Stärke bei unveränderter Verwertung des Leitungswassers als Gebrauchswasser zu Schädigungen im Betriebe der Klägerin führen könne. Die Auffassung der Beklagten, ihre Verpflichtung habe sich darauf beschränkt, darauf zu achten, daß das Wasser hygienisch einwandfrei, also nicht gesundheitsgefährlich sei, ist unhaltbar. Da sie auch Gebrauchswasser zu gewerblichen Zwecken lieferte und die Wasserverbraucher gemäß §29 der Satzungen verpflichtet waren, ihren gesamten Bedarf an Trink- und Gebrauchswasser aus der Wasserleitung zu decken, hätte die Beklagte bei Vornahme der Chlorung erwägen müssen, ob in der vorgenommenen Stärke eine derartige Maßnahme gegenüber einzelnen gewerblichen Verbrauchern nachteilige Folgen zeitigen könnte. Zu dieser Erwägung waren auch ihre verfassungsmäßig berufenen Vertreter (§§ 31, 89 BGB) verpflichtet, sobald sie von der Anordnung der Militärregierung Kenntnis erhielten. Hierzu gehörte auch die Verpflichtung, die Frage einer möglichen Beeinträchtigung des Wassers für betriebliche Gebrauchszwecke durch sachkundige Personen der Stadtverwaltung prüfen zu lassen. Die Beklagte hat selbst nicht behauptet, daß diese Prüfung vorgenommen worden sei und zu dem Ergebnis geführt habe, eine Schädigung gewerblicher Betriebe, insbesondere der Konservenindustrie, sei ausgeschlossen. Die Beklagte hat zwar gegenüber dem Gutachten des Bayer. Staatsministeriums des Innern vom 18. März 1953, das die Verpflichtung zur Anstellung solcher Erwägungen in Rücksichtnahme auf gewerbliche Betriebe grundsätzlich bejaht, ausführen lassen, sie habe nicht wissen können, daß das mit Chlor versetzte Wasser für den Betrieb der Klägerin schädliche Folgen zeitigen könnte, ohne jedoch schlüssig darzulegen, ob und welche Überlegungen und Prüfungen in dieser Richtung angestellt worden sind. Da die beklagte Stadtgemeinde selbst über eine Chemische Untersuchungsanstalt verfügte, hätte sie zumindest auch dieser Stelle die Frage einer etwaigen Schädigung gewerblicher Betriebe vorlegen müssen. Daß dies alsbald geschehen sei und daß diese die Möglichkeit einer Schädigung verneint habe, hat die Beklagte nicht behauptet. Eine solche Behauptung würde auch im Widerspruch zu der Bekundung des Direktors der Chemischen Untersuchungsanstalt, Chemierat Dr. P. vom 26. Oktober 1950 stehen, er habe zu Beginn der Chlorung mit dem damaligen Baurat S. gesprochen und gesagt, es wäre vernünftiger, man würde die Chlorung veröffentlichen.

Bei der Konservierung von Gurken sind unstreitig für den Gärprozeß Milchsäurebekterien nötig, die im Falle der Klägerin den Gurken nicht zugesetzt worden sind, sondern sich aus den den Gurken natürlich anhaftenden Bakterien entwickeln und die Gärung bewirken sollten. Für die Frage einer Verpflichtung der Beklagten zur Bekanntgabe der Chlorung kann es dahingestellt bleiben, ob bereits ein Chlorgehalt von 0,1 bis 0,2 mg/l auf die Gurkenmilchsäurebakterien zerstörend wirken kann, wie die Klägerin behauptet hat, oder ob die Unschädlichkeitsgrenze, die der Direktor der Chemischen Untersuchungsanstalt Dr. P. bei Versuchen im Labor mit 0,3 mg pro Liter ermittelt hat, auch bei der von der Klägerin gehandhabten Konservierung maßgeblich ist. Denn auch im letzteren Falle müßte angenommen werden, daß die Möglichkeit einer Überschreitung dieser Grenze durch den an den Zapfstellen der Wasserleitung noch auftretenden Chlorgehalt von vornherein gegeben war, zumal eine Gleichmäßigkeit der Chlorung, bei der nach der Aussage Dr. P. zunächst mit primitiveren Mitteln gearbeitet werden mußte, nicht gewährleistet war. Prüfungen des Chlorgehalts des Leitungswassers an verschiedenen Zapfstellen haben in der hier in Betracht kommenden Zeit unterschiedliche Mengen ergeben, so u.a. am 16. und 23. Juli 1948 bei einer Zapfstelle (Königsstraße) einen Chlorgehalt von 0,4 und 0,6 mg/l und im August 1948 bei anderen Zapfstellen der Altstadt 0,5, 0,6 und 0,7 mg/l. In diesem Zusammenhang ist es unerheblich, ob die Behauptung der Beklagten (vgl. den Schriftsatz vom 29. November 1950 S. 3) zutrifft, daß die Entnahmestellen, die nach diesen Feststellungen vorübergehend einen höheren Chlorgehalt als 0,2 mg/l aufwiesen, nicht an dem gleichen Leitungsstrang wie die Entnahmestelle der Klägerin lägen. Denn die Beklagte hat keine Tatsachen vorgetragen, die darauf schließen lassen, daß mit ähnlichen Schwankungen des Chlorgehalts an der Zapfstelle der Klägerin nicht hätte gerechnet werden können.

Die Pflicht zur Bekanntgabe der Chlorung bestand somit auch gegenüber der Klägerin als Nebenpflicht auf Grund des vertraglichen oder vertragsähnlichen Verhältnisses, das durch den Anschluß an die Wasserleitung und die ständige Wasserlieferung begründet war. Sie entfiel auch nicht etwa deshalb, weil der Chlorgehalt von der Klägerin sofort hätte bemerkt werden können. Nach dem Gutachten der Deutschen Forschungsanstalt für Lebensmittelchemie in München vom 5. Dezember 1951 ist die Veränderung des Geruchs durch einen Chlorzusatz auch bei 0,6 mg/l nicht so groß, daß der Geruch unter allen Umständen von Arbeitern der Gurkeneinlegerei hätte wahrgenommen werden müssen. Mengen von 0,3 mg freies Chlor, die sich schon als schadenbringend auswirken konnten, sind, wie dieses Gutachten sagt, durch Geruch oder geschmacklich kaum noch festzustellen.

Die Beklagte hat die Chlorung unstreitig weder öffentlich bekannt gemacht noch an die Klägerin mitgeteilt. Sie hat daher die ihr obliegende Rechtspflicht verletzt. In welcher Weise die Beklagte bei der Bekanntgabe auf die Möglichkeit von Schäden hätte hinweisen müssen, wird noch zu erörtern sein.

III.

Weitere Voraussetzungen des Schadensersatzanspruchs der Klägerin sind, daß der Verderb der Gurken auf die Chlorung und auf die Unterlassung ihrer Bekanntgabe zurückzuführen ist. Nach Ansicht des Berufungsgerichts sind beide Voraussetzungen nicht nachgewiesen. Die Begründung des Berufungsurteils, gegen die sich die Angriffe der Revision richten, hält jedoch einer Nachprüfung nicht stand.

1.

Das Berufungsgericht mißt dem Umstand Bedeutung bei, daß die Menge des aktiven Chlors, der in die Füllungen der 844 Lagerfässer und in die Nachfüllung während des Fabrikationsvorganges hineingeraten ist, nicht mehr annähernd festgestellt werden könne. Der Umstand, daß 544 Faß völlig unversehrt geblieben seien, gebe, so führt das Berufungsurteil aus, dem Gericht keine geringeren Rätsel auf, als seinerzeit dem Zeugen Dr. F., dem Betriebsleiter der Klägerin, der Fachmann auf dem Gebiet der Gurkenfabrikation sei. Erst dann, wenn der Inhalt sämtlicher Fässer, wenn auch in verschiedenem Grad verdorben gewesen Wäre, könnte der aktive Chlor im Leitungswasser als primär in Betracht kommende Schadensursache bei der Beweiswürdigung zugrunde gelegt werden, denn die Verchlorung des Nürnberger Leitungswassers sei zur Zeit der Einlegung der Gurken unstreitig praktisch ohne Unterbrechung durchgeführt worden. Die Schwankung des Gehalts an aktivem Chlor im Leitungswasser sei eine viel zu unsichere Erklärung dafür, daß über 2/3 der Fässer vom Verderb verschont geblieben seien. Die chemischen Sachverständigen dieses Prozesses hätten übereinstimmend eine einigermaßen hinreichend sichere Grenze (gemeint ist die Unschädlichkeitsgrenze) nicht finden können. Dr. P. habe bei mehreren Versuchen als Unschädlichkeitsgrenze einen Chlorgehalt von 0,3 mg/l festgestellt. Nach der von ihm zu den Akten gereichten Aufstellung vom 27. Oktober 1950 sei bei den Feststellungen des Chlorgehalts des Leitungswassers an verschiedenen Zapfstellen in der Zeit von Juni bis Dezember 1948 die Unschädlichkeitsgrenze nur in etwa 1/3 der Fälle erreicht oder überschritten. Der für die Beweisführung der Klagepartei zu erfordernde hohe Grad der Wahrscheinlichkeit werde auch nicht durch das Gutachten der Landesgewerbeanstalt Nürnberg vom 13. Februar 1951 erbracht, in welchem ausgeführt werde, daß bereits winzige Mengen aktiven Chlors zur Vernichtung weniger Bakterien ausreichen und daß die von Dr. P. gefundene Unschädlichkeitsgrenze von 0,3 mg/l Chlor für die vollentwickelte Milchsäurebakterienkultur gelte; denn dann hätten, so meint das Berufungsgericht, sämtliche frisch mit Gurken eingelegten Fässer der Klägerin, als sich noch keine Bakterienkulturen entwickelt hätten, schon zur Zeit der geringeren Chlorung bis Dezember 1948 Schaden erleiden müssen. Da dies tatsächlich nicht der Fall gewesen sei, könne die Wirkung des gechlorten Wassers keine so heftige und durchgreifende gewesen sein, als das Landesgewerbeamt annehme.

Diese Ausführungen des Berufungsgerichts sind in mehrfacher Hinsicht zu beanstanden.

Die Klägerin hat nach den Grundsätzen des Beweises des ersten Anscheins dargetan, daß freies Chlor in dem von ihr für die Salzlake benutzten Leitungswasser vorhanden war, das für eine zerstörende oder hemmende Wirkung auf Milchsäurebakterien während des Gärungsvorganges auch bei Zugrundelegung der von Dr. P. ermittelten Unschädlichkeitsgrenze ausreichte. Hierfür genügt die von der Beklagten nicht bestrittene Tatsache, daß in der Zeit vom 17. Juni bis Dezember 1948 bei zahlreichen an verschiedenen Zapfstellen der Wasserleitungen vorgenommenen Prüfungen ein unterschiedlicher Chlorgehalt festgestellt worden ist und daß dieser sich am 11. und 20. August auf mehr als 0,3, nämlich 0,4, 0,5, 0,6 und 0,7 mg/l belief. Die Beklagte hat keine besonderen Umstände behauptet, aus denen sich die Wahrscheinlichkeit ergeben könnte, daß sich bei der Zapfstelle der Klägerin solche Mengen von Chlor nicht in dem Wasser befunden hätten. Es kann daher als bewiesen angesehen werden, daß die Klägerin während der Einlegezeit für die Salzlake vom 5. August bis 29. September 1948 Leitungswasser mit einem Chlorgehalt von über 0,3 mg/l verwendet hat. Dabei ist nach dem unbestrittenen Sachvortrag der Klägerin davon auszugehen, daß in dem Betrieb der Klägerin während dieser Zeit laufend neues Leitungswasser für die Salzlake verwendet worden ist. Enthielt das Leitungswasser unterschiedliche, zum Teil sehr geringe Mengen Chlor wie sie auch bei Prüfungen an anderen Zapfstellen festgestellt worden sind, so konnten schon diese Umstände dazu führen, daß auch die Klägerin Leitungswasser erhielt, das unschädlich war. Es kommt noch hinzu, daß nach der Behauptung der Klägerin, die in der Aussage Dr. P. und der Einlassung der Beklagten wesentliche Stützen findet, auch zeitweise ungechlortes Wasser in die Wasserleitung gekommen sein soll. Die Revision rügt mit Recht, daß das Berufungsgericht diese Umstände unberücksichtigt gelassen und im Widerspruch zu dem Parteivorbringen festgestellt habe, daß die Verchlorung des Nürnberger Leitungswassers zur Zeit der Einlegung der Gurken unstreitig praktisch ohne Unterbrechung durchgeführt worden sei. Wenn das Berufungsgericht das Gutachten der Landesgewerbeanstalt dahin würdigt, die von ihm angenommene geringere Unschädlichkeitsgrenze könne nicht als richtig angesehen werden, so hätte gerade aus dieser Würdigung die Folgerung gezogen werden müssen, daß die Klägerin auch für die Gurkenkonservierung unschädliches Leitungswasser erhalten hat. Dadurch würde aber auch die dem Zeugen Dr. F. zunächst rätselhaft erscheinende Tatsache eine mögliche Erklärung finden, daß die eingelegten Gurken nicht in allen Gurkenfässern verdorben sind. Die Annahme des Berufungsgerichts, daß erst dann, wenn der Inhalt sämtlicher Fässer, wenn auch in verschiedenem Grad verdorben gewesen wäre, der aktive Chlor im Leitungswasser als primär in Betracht kommende Schadensursache bei der Beweiswürdigung zugrunde gelegt werden könne, ist danach nicht haltbar. Die Erwägungen des Berufungsgerichts lassen jedenfalls nicht mit der erforderlichen Sicherheit erkennen, ob das Berufungsgericht sich die Erfordernisse hinreichend vergegenwärtigt hat, die an den Beweis der Ursächlichkeit zu stellen sind. Nach ständiger Rechtsprechung gilt hier nicht die strenge Beweisregel des §286 ZPO, sondern des §287 ZPO (BGHZ 7, 198, 203 m. Nachw.). Das Gericht ist im Rahmen des §287 ZPO nicht gehindert, die freie Überzeugung von einem adäquaten Ursachenzusammenhang auch dann aus dem Ergebnis der Beweisaufnahme und den Umständen zu gewinnen, wenn nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die Möglichkeit ausgeschlossen werden kann, daß der Schaden auch ohne das schuldhafte Verhalten des Täters habe eintreten können.

Ist nach den Regeln über den Beweis des ersten Anschein als bewiesen anzusehen, daß jedenfalls ein Teil des von der Klägerin benutzten Leitungswassers einen für die Konservierung der Gurken schädlichen Chlorgehalt hatte, und daß hierdurch Gurken verdorben sind, so wäre es demgegenüber Sache der Beklagten, darzulegen, daß bei dem zu beurteilenden Sachverhalt konkrete Tatsachen vorlagen, aus denen die ernste Möglichkeit einer anderen Ursache für den Verderb der Gurken zu folgern sei. Die Beklagte hat jedoch eine solche, den Beweis des ersten Anscheins entkräftende Ursache nicht dargetan. Hierfür genügt nicht die Behauptung, daß Gurken auch durch ein Ferment verdorben werden können, das unabhängig von dem Gedeihen der Milchsäurebakterien sei. Die Beklagte hat in der Berufungsbegründung ausgeführt, wissenschaftliche Untersuchungen hätten bestätigt, daß in den Salzgurkenlösungen ein Polygalakturonase (Pektinase) -ähnliches Ferment vorliege, welches das für die Industrie schwerwiegende und unkontrollierbare Problem des Weichwerdens der Gurken bewirke. Um den Beweis des ersten Anscheins durch den Nachweis der ernsten Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufs zu entkräften, genügte jedoch nicht der Hinweis auf die allgemeine Möglichkeit eines anderen Ursachenverlaufs, sondern die Beklagte hätte konkrete Tatsachen nachweisen müssen, aus denen auf die ernste Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufs geschlossen werden kann, d.h. Tatsachen, die die Annahme nahe legen, daß die Gurken nicht durch Chlor, sondern durch andere Umstände verdorben worden sind (vgl. BGHZ 8, 239, 240; Urteil des erkennenden Senats vom 11. November 1953 - II ZR 243/52 - S. 11). Das gleiche gilt für die weitere Behauptung der Beklagten, daß möglicherweise die Fässer von der Klägerin nicht genügend gereinigt gewesen seien. Die Beklagte hat diese Behauptung nicht unter Beweis gestellt, während die Klägerin Beweis dafür angeboten hat, daß diese Reinigung besonders sorgfältig durchgeführt worden sei und daß sie noch niemals in ihrer langjährigen Praxis einen Verderb von Gurken vergleichbaren oder auch nur größeren Umfangs in ihrem Betrieb gehabt habe.

Für die Revisionsinstanz ist jedenfalls davon auszugehen, daß die Chlorung des Wassers den Verderb der Gurken verursacht hat. Es kommt daher auf den Einwand der Beklagten an, eine Bekanntgabe der Tatsache der Chlorung würde die Klägerin nicht veranlaßt haben, die Wirkungen des in dem gechlorten Wasser vorhandenen freien Chlors durch andere Mittel zu beseitigen.

2.

Das Berufungsgericht nimmt an, der verantwortliche Leiter der Klägerin Dr. F. habe, als er um Weihnachten 1948 nach seiner eigenen (vor dem Berufungsgericht beeideten) Aussage von der Chlorung des Leitungswassers erfahren habe, sich keine Gedanken über einen möglicherweise schädlichen Einfluß des so veränderten Wassers auf die in Gang befindliche Konservierung der Gurken gemacht, sondern das gerade um jene Zeit verstärkt gechlorte Wasser in die Fässer nachfüllen lassen, nachdem die Beklagte ab 9. Dezember 1948 eine Hochchlorung mit und über 1 mg/l Chlor vorgenommen hätte. Wenn überhaupt, so sei wahrscheinlich gerade durch die Nachfüllung hochgechlorten Wassers der Schaden in den Fässern entstanden. Jedenfalls ergebe sich aus dem Verhalten des Zeugen Dr. F. mit Sicherheit, daß eine Veröffentlichung der Beklagten im Juni 1948 oder in der folgenden Zeit über die Chlorung des Nürnberger Wassers die Klägerin nicht zu Gegenmaßnahmen veranlaßt haben würde und daß der behauptete Schaden auch im Falle einer amtlichen Bekanntmachung der Chlorung entstanden sein würde. In Deutschland seien, wie beide Parteien angäben, um jene Zeit wissenschaftliche Arbeiten über die Chlorempfindlichkeit der Milchsäurebakterien nicht erschienen. Die Klägerin betreibe die Konservierung von Gurken als Fachbetrieb zwar seit über 150 Jahren, trotzdem hätte sie wegen dieser Unkenntnis über die Brauchbarkeit des gechlorten Wassers für ihren Betrieb auch bei rechtzeitiger Bekanntgabe der Chlorung nicht entsprechende Gegenmaßnahmen getroffen. Dr. F. hätte zwar auch ohne wissenschaftliche Literatur aus der Intuition des Praktikers heraus auf die Idee von Vorsichts- und Gegenmaßnahmen gegen die Chlorung kommen können, es sei dies aber rückblickend nach Sachlage keineswegs zu erwarten gewesen.

Die Klägerin hatte ausgeführt, daß Dr. F. die Tatsache der Chlorung jedenfalls nicht vor dem Verderb der Gurken erfahren habe und daß die ersten Feststellungen über verdorbene Gurken bereits im Dezember vor Weihnachten 1948 getroffen worden seien. Der Umstand, daß die Gurken in einem Teil der Fässer unbeschädigt geblieben seien, hätte Dr. F. zunächst davon abgehalten, die Ursache des Verderbs von Gurken in der Chlorung des Wassers zu erblicken. Gleichwohl habe Dr. F. schon im Januar wegen dieser Frage Erkundigungen eingezogen und dann unter dem 8. Februar 1949 die Anfrage an die Chemische Untersuchungsanstalt gerichtet, die mit dem Schreiben vom 9. Februar 1949 beantwortet worden sei, in dem der Direktor der Anstalt Dr. P. es als möglich bezeichnet hat, daß der Gehalt an aktivem Chlor im Leitungswasser die Milchsäuregärung sehr nachteilig beeinflußt habe, und in dem es heißt, daß diese Annahme durch die Erfahrungen bei der Hefefabrik B. AG klar bewiesen werde. Die Tatsache, daß Dr. F. nicht sogleich nach Kenntnis von der Chlorung, deren Umfang und unterschiedliche Ausführung ihm damals unstreitig nicht bekannt waren, zu der Annahme gekommen ist, daß die Chlorung den Verderb herbeigeführt haben könne, kann unter diesen Umständen nicht beweisen, daß eine amtliche Bekanntgabe der Chlorung die Klägerin nicht davon abgehalten haben würde, gechlortes Wasser für die Konservierung von Gurken zu verwenden. Es kommt aber hinzu, daß die Beklagte im Falle einer amtlichen Bekanntgabe sich nicht darauf hätte beschränken dürfen, die Tatsache der Chlorung bekannt zu machen. Eine solche Bekanntgabe hätte dahin verstanden werden können, daß die Chlorung nur in einem Ausmaß vorgenommen würde, das irgendwelche Schäden nicht befürchten lasse. Die Beklagte war daher verpflichtet, die in Betracht kommenden Betriebe vor möglicherweise eintretenden Schäden zu warnen, z.B. indem sie darauf hinwies, daß es den auf bakteriologischer Grundlage arbeitenden Betrieben überlassen bliebe, zu prüfen, inwieweit das Wasser in der bisherigen Weise weiter verwendet werden könne. Auch in diesem Zusammenhang kommt es nicht darauf an, daß die Beklagte durch die Vorstellungen des Zeugen Be. bereits im Juli 1948 darauf hingewiesen worden sein soll, daß bei der Fabrikation von Hefe Schäden entstanden wären, die auf die Chlorung zurückgeführt würden. Es kann aber kein Zweifel sein, daß ein solcher Hinweis der Beklagten besonderen Anlaß gegeben haben würde, andere Betriebe, die auf bakteriologischer Grundlage arbeiten, auf die Möglichkeit von Schäden hinzuweisen.

Nach der Erfahrung des Lebens muß angenommen werden, daß die Klägerin bei einer mit einem solchen Hinweis verbundenen Bekanntmachung der Chlorung rechtzeitig Erkundigungen eingeholt haben würde, um zu klären, ob auch bei der Konservierung von Gurken Schäden zu befürchten seien, und daß sie eine damals mögliche Maßnahme getroffen haben würde, die Wirkungen des Chlors zu beseitigen, d.h. das Wasser zu entchloren. Daß das nicht verboten war, wie die Beklagte ebenfalls eingewandt hatte, kann schon daraus gefolgert werden, daß die Beklagte der Firma B. AG die Erlaubnis gegeben hat, für ihre Zwecke ungechlortes Wasser aus einem betriebseigenen Brunnen zu verwenden. Die Beklagte hat jedenfalls nicht behauptet, daß die Klägerin bei einer Erkundigung über die Auswirkungen des Chlors auf den Konservierungsvorgang z.B. von der Chemischen Untersuchungsanstalt der Beklagten dahin beschieden worden wäre, daß die betriebliche Verwendung von gechlortem Wasser völlig unschädlich sei und daß eine solche Auskunft dem damaligen Wissen um die Wirkungen der Chlorung entsprochen haben würde.

Wenn das Berufungsgericht in anderem Zusammenhang ausführt, nämlich bei Prüfung der Frage, ob die Beklagte verpflichtet gewesen sei, zu untersuchen, inwieweit der Chlorzusatz schädliche Einwirkungen auf die unter Verwendung des Wassers hergestellten Nahrungsmittel hätte haben können, daß im vorliegenden Falle die Untersuchungen auch gar nicht alsbald zu einem eindeutigen für die Klägerin unbedenklich zu übernehmenden Ergebnis geführt haben würden, wie vor allem die Untersuchungen der von der Klägerin selbst angegangenen Institute zeigten, so steht diese Annahme im Widerspruch zu der im gleichen Zusammenhang stehenden Ausführung der Beklagten, jedermann hätte gewußt, daß der Chlorzusatz zum Wasser die Tötung der darin befindlichen Bakterien bewirke. Die Revision rügt zudem mit Recht, daß das Berufungsgericht zum Nachteil der Klägerin Folgerungen aus Gutachten gezogen hat, die ihm nicht vollständig vorgelegt worden sind. Infolgedessen ist auch dem Revisionsgericht eine Nachprüfung nicht möglich, inwieweit diese Gutachten die Folgerungen des Berufungsgerichts zulassen.

Die Annahme des Berufungsgerichts, die Klägerin wäre auch durch eine rechtzeitige Bekanntgabe der Chlorung nicht veranlaßt worden, Maßnahmen gegen eine mögliche Schädigung zu ergreifen, ermangelt daher einer einwandfreien Begründung.

IV.

Das Berufungsgericht hat nicht erörtert, ob in der Unterlassung der amtlichen Bekanntgabe der Chlorung eine grobe Fahrlässigkeit der verfassungsmäßigen Vertreter der Beklagten oder anderer hierfür verantwortlichen Beauftragten der Beklagten zu sehen ist. Es bestehen jedoch keine Bedenken, mit dem Landgericht anzunehmen, daß der Beklagten grobe Fahrlässigkeit zur Last fällt. Diese ist dann gegeben, wenn die Anstellung einfachster ganz nahe liegender Überlegungen versäumt ist und wenn das nicht beachtet wurde, was jedem einleuchten mußte. Das Berufungsgericht nimmt selbst an, daß die zerstörende Wirkung von Chlor auf Bakterien im Wasser eine allgemein bekannte Tatsache ist. Die Überlegung, daß sich diese zerstörende Wirkung auch noch bei Zweigen der Lebensmittelindustrie auswirken könnte, lag so nahe, daß die Unterlassung einer Prüfung dieser Frage eine grobe Fahrlässigkeit darstellt. Hierfür kommt es daher nicht auch noch darauf an, ob die Beklagte im Juli 1948 durch den Zeugen Be., den leitenden Ingenieur der Hefefabrik B. AG, darauf hingewiesen war, daß die Chlorung eine Schädigung der von der B. AG hergestellten Hefe bewirkt habe (vgl. die Aussage des Zeugen Dr. Be. vom 12. April 1951 und das Schreiben der Chemischen Untersuchungsanstalt der Stadt Nürnberg an die Klägerin vom 9. Februar 1949) und darauf, daß die Chlorung des Wassers trotz Anratens des Chemierats Dr. P. nicht öffentlich bekannt gemacht worden sei, wofür sich die Klägerin auch auf das Zeugnis des städtischen Baudirektors Dipl. Ing. S. berufen hatte, dessen Nichtvernehmung die Revision rügt. Es kann daher unentschieden bleiben, ob die Beklagte ihre Haftung für Schäden, die im Zusammenhang mit der Wasserversorgung entstehen, durch §38 der Satzung rechtswirksam auf die Fälle beschränkt hat, in denen einer Person, für die die Stadt verantwortlich ist, Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit zur Last fällt.

V.

In Hilfserwägungen nimmt das Berufungsgericht an, daß ein Schadensersatzanspruch auch deshalb verneint werden müsse weil die Klägerin ein überwiegendes Verschulden treffe, das einmal in der Unkenntnis des Dr. F. von der Chlorung und zum anderen auch darin zu erblicken sei, daß die Klägerin, nachdem Dr. F. um Weihnachten 1948 von der Chlorung Kenntnis erlangt hatte, das gechlorte Wasser weiterhin bis April und Mai 1949 habe nachfüllen lassen und dadurch das von ihr selbst dargestellte Zerstörungswerk an den Gurken vollendet, wenn nicht überhaupt erst angerichtet habe, da die eigentlich gefährliche Chlorung erst am 9. Dezember 1948 begonnen habe.

Auch mit diesen Erwägungen kann das Berufungsurteil nicht aufrecht erhalten bleiben. Die Annahme des Berufungsgerichts, das Zerstörungswerk an den Gurken sei möglicherweise erst durch das Nachfüllen von Salzlake nach dem Zeitpunkt angerichtet worden, nachdem Dr. F. um Weihnachten 1948 von der Chlorung Kenntnis erlangt hat, steht im Widerspruch zu der Behauptung der Klägerin, sie habe schon vor diesem Zeitpunkt bei der Prüfung der Gurken verdorbene Fässer festgestellt. Das Berufungsgericht hätte sich aber vor allem mit der Behauptung der Klägerin auseinandersetzen müssen, daß die Abtötung der Milchsäurebakterien oder die Hemmung ihrer Wirkung nur während des Gärungsprozesses wirksam sei (Schriftsatz der Klägerin vom 24. Oktober 1953 S. 19) und daß die Zuführung von mit Chlor versetzter Lake nichts mehr schaden könne, wenn die Gärung erfolgreich abgeschlossen sei. Wenn dies richtig ist und wenn der Konservierungsvorgang unter normalen Verhältnissen, d.h. bei Verwendung von nicht gechlortem Wasser, im Betriebe der Klägerin 6 höchstens 8 Wochen dauert, was die Beklagte nicht bestritten hat, so müßte angenommen werden, daß die Nachfüllung von Chlorwasser nach Weihnachten 1948 den Gurken nicht geschadet haben könnte, wenn sie nicht schon vorher durch Chlorwasser Schaden erlitten hätten. Jedenfalls hätte es zur Feststellung einer überwiegenden Verursachung des Schadens, der in der Nachfüllung liegen soll, einer näheren Aufklärung in der Richtung bedurft, in welchem Umfang und bis zu welchem Zeitpunkt hochgechlortes Wasser noch nach Weihnachten 1948 zur Nachfüllung benutzt worden ist. Bei Prüfung der Frage, ob bei der Entstehung des Schadens ein Mitverschulden der Klägerin mitgewirkt hat, wäre aber auch zu berücksichtigen, daß Dr. F., als er von der Chlorung erfuhr, noch nicht wußte, mit welcher Dosierung das Wasser gechlort wurde, insbesondere daß es ab 9. Dezember 1948 in erhöhtem Maße gechlort wurde. Er hat auch nicht ohne weiteres schon deshalb schuldhaft gehandelt, weil er nicht sogleich in der Chlorung des Wassers eine mögliche Ursache für den Verderb der Gurken erkannt hat. Ob und inwieweit ein Verschulden insoweit überhaupt vorliegt und im Rahmen des § 254 ins Gewicht fällt, kann auf Grund der unzureichenden tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht abschließend beurteilt werden.

Ob in dem Umstand, daß der Betriebsleiter der Klägerin Dr. F. die Tatsache der Chlorung nicht früher gekannt hat, obwohl die Chlorung, wie das Berufungsgericht annimmt, alsbald nach ihrer Einführung bei der Nürnberger Bevölkerung allgemein bekannt gewesen sei, überhaupt ein Verschulden im Sinne des § 254 BGB gesehen werden kann, mag dahingestellt bleiben. Die Unkenntnis des Dr. F. vermag jedenfalls gegenüber der Pflichtverletzung der Beklagten, die sich als grobe Fahrlässigkeit darstellt und in der Unterlassung der Bekanntgabe des Maßes der Chlorung und des Hinweises der Industrie auf etwa mögliche Beeinflussung der Produktion durch die Chlorung liegt, nicht die Schadensersatzpflicht der Beklagten zu beseitigen oder auch nur dem Umfange nach einzuschränken. Deshalb können die Rügen der Revision unerörtert bleiben, die sich gegen die Annahme des Berufungsgerichts wenden, es sei offenkundig, daß die Chlorung bald nach ihrer Einführung bei der Nürnberger Bevölkerung allgemein bekannt gewesen sei.

Das Berufungsurteil war daher aufzuheben. Da die Sache noch einer weiteren Behandlung durch den Tatsachenrichter bedarf, insbesondere zur Prüfung der Frage, ob die Entstehung des Schadens durch ein Verschulden der Klägerin mitverursacht ist, und die Berufung der Beklagten sich auch gegen die Höhe des Anspruchs richtet, über die in der Vorinstanz nicht abschließend verhandelt worden ist, mußte die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Oberlandesgericht verwiesen werden, wobei es zweckmäßig erschien, die Sache an einen anderen Senat zu verweisen.

Die Entscheidung über die Kosten der Revision hängt von der Endentscheidung des Prozesses ab und war daher dem Berufungsgericht zu überlassen.