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Diese Entscheidung

Festhalten an Vergaberichtlinien für Baugrundstücke trotz geringer Nachfrage

OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 09.07.2010 - Az.: 2 A 10310/10

Leitsätze:
1. Ob und inwieweit eine Gemeinde ihr gehörende Baugrundstücke an Private abgibt, steht in ihrem Ermessen. Ein Rechtsanspruch auf Zuteilung eines Grundstücks besteht grundsätzlich nicht. (Leitsatz des Herausgebers)

2. Stellt eine Gemeinde zur Eingrenzung dieses Ermessens Vergaberichtlinien auf, so unterliegen diese nur einer Vertretbarkeitskontrolle. Sie können durch ein Gericht nur beanstandet werden, wenn sich keine sachlichen Gründe für die getroffenen Regelungen finden lassen. (Leitsatz des Herausgebers)

3. Auch wenn über mehrere Jahre kein Baugrundstück an einen den Vergaberichtlinien entsprechenden Interessenten vergeben werden kann, darf die Gemeinde an ihren Richtlinien jedenfalls dann festhalten, wenn sie nur noch über wenige Baugrundstücke verfügt und aufgrund rückläufiger Bevölkerungszahlen auf absehbare Zeit keinen Ausweis neuer Baugebiete beabsichtigt. (Leitsatz des Herausgebers)

4. Ihre Pflichten aus § 4 Abs. 1 und 2 WoFG verletzt eine Gemeinde erst dann, wenn sie diese Aufgaben völlig außer Betracht lässt und daher in der gemeindlichen Entwicklung und der Wohnraumversorgung Missstände auftreten. (Leitsatz des Herausgebers)

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Volltext

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 1. Dezember 2009 abgeändert und die Klage in vollem Umfang abgewiesen.

Die Anschlussberufung des Klägers wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten beider Rechtszüge.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Zuteilung eines gemeindeeigenen Baugrundstücks.

Er ist Eigentümer eines Einfamilienhauses mit Einliegerwohnung in der beklagten Ortsgemeinde ... Die Hauptwohnung - welche eine Wohnfläche von 166,02 m² zuzüglich weiterer 36,42 m² für Geschäftsräume aufweist - bewohnt der Kläger mit seiner Ehefrau, seiner Tochter und einem Pflegekind. Die Einliegerwohnung ist an eine Tante seiner Ehefrau vermietet.

Die beklagte Ortsgemeinde wurde im Zuge der Ausweisung des Neubaugebiets ... Eigentümerin von fünf Baugrundstücken. Am 8. Dezember 1999 beschloss der Gemeinderat, die Grundstücke unter folgenden Bedingungen zu verkaufen:

"1. Der Erwerber sollte entweder Bürger oder ehemaliger Bürger beziehungsweise gebürtiger Bürger sein, der noch soziale Bindungen zur Ortsgemeinde ... hat.

2. Wer ein an seinem Bedarf orientiert ausreichend bemessenes Hausgrundstück hat, kommt für den Erwerb eines Gemeindegrundstücks nicht in Frage. Als ausreichend bemessender Bedarf gelten die Wohnungsflächengrenzen des 1. Förderungsweges des 2. Wohnungsbaugesetzes.

3. Die Veräußerung der Baugrundstücke sollte nur an Familien mit mindestens einem Kind erfolgen."

In der Folgezeit veräußerte die Beklagte drei der Grundstücke an Käufer, welche diese Verkaufsbedingungen erfüllten. Auch der Kläger stellte einen Zuteilungsantrag, den die Beklagte indes mit Schreiben vom 29. Mai 2000 ablehnte. Der Kläger verfüge bereits über ein ausreichend bemessenes Hausgrundstück und erfülle daher die Verkaufsbedingungen nicht. Einen gegen diese Entscheidung gerichteten Widerspruch nahm der Kläger später zurück.

Mit Schreiben vom 20. Januar 2003 bewarb sich der Kläger erneut um eines der besagten Grundstücke. Auch dieser Antrag blieb indes ohne Erfolg. Der Kläger erhob Klage, die das Verwaltungsgericht Koblenz mit rechtskräftigem Urteil vom 23. Oktober 2003 (6 K 1564/03.KO) abwies. Zur Begründung hieß es, die Ablehnung des klägerischen Antrags beruhe - derzeit noch - auf sachgerechten Erwägungen. Es sei vertretbar, den Kläger darauf zu verweisen, dass er bereits über ausreichenden Wohnraum verfüge. Dem stehe nicht entgegen, dass weniger Bewerber als freie Grundstücke vorhanden seien. Der Beklagten sei zuzubilligen, dass sie eine gewisse Bevorratung von Baugrundstücken betreibe. Indes liefe es dem Auftrag in § 4 Abs. 2 WoFG zuwider, wenn die Gemeinde übermäßig lange auf der Einhaltung ihrer Verkaufsbedingungen bestehe. Die Kammer sehe die Fortgeltung der Bedingungen daher als bedenklich an. Denn auch nach einer Geltungsdauer von drei Jahren seien weniger als die Hälfte der Grundstücke vergeben.

Unter Hinweis auf dieses Urteil beantragte der Kläger mit Schreiben vom 22. März 2004 erneut die Zuteilung eines Grundstücks. Auch diesen Antrag lehnte die Beklagte ab. Die daraufhin erhobene Klage erklärten die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Koblenz übereinstimmend für erledigt, nachdem die Beklagte den ablehnenden Bescheid auf Empfehlung des Vorsitzenden aufgehoben hatte (1 K 156/06.KO).

Am 28. September 2006 lehnte der Rat der beklagten Ortsgemeinde den Zuteilungsantrag des Klägers erneut ab. Dies teilte die Verbandsgemeindeverwaltung dem Kläger mit Bescheid vom 15. November 2007 mit. Den gegen die Entscheidung gerichteten Widerspruch des Klägers wies der Kreisrechtsausschuss bei der Kreisverwaltung Bad ... mit Bescheid vom 23. März 2009 zurück.

Der Kläger hat daraufhin Klage erhoben. Er hat geltend gemacht, ein Festhalten an den nunmehr 10 Jahre alten Vergabekriterien sei nicht mehr gerechtfertigt, da eine Knappheitssituation im Bereich der Beklagten nicht bestehe. Im Übrigen sei mittlerweile eine Ermessensreduzierung eingetreten, so dass nur noch eine einzige Entscheidung über seinen Zuteilungsantrag - nämlich die Vergabe des Grundstücks an ihn - rechtmäßig sei.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 15. November 2007 und des Widerspruchsbescheides vom 23. März 2009 zu verpflichten, ihm entsprechend seinem Antrag vom 22. März 2004 ein gemeindeeigenes Grundstück im Baugebiet ... zuzuteilen,

hilfsweise,

die Beklagte unter Aufhebung der beiden genannten Bescheide zu verpflichten, den Antrag des Klägers vom 22. März 2004 auf Zuteilung eines gemeindeeigenen Baugrundstücks unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Mit Urteil vom 1. Dezember 2009 hat das Verwaltungsgericht der Klage teilweise stattgegeben. Der Kläger habe zwar keinen Anspruch auf Zuteilung eines Grundstücks. Er könne jedoch verlangen, dass die Beklagte über seinen Zuteilungsantrag erneut entscheide. Die Beklagte habe ihr Ermessen bislang nicht ordnungsgemäß betätigt. Zwar sei eine Gemeinde bei der Zuteilung eines Grundstücks grundsätzlich berechtigt, einen Bewerber in einer Knappheitssituation darauf zu verweisen, dass er keine Förderpriorität besitze, weil er über ausreichenden Wohnraum verfüge. Die 6. Kammer des Verwaltungsgerichts Koblenz habe in ihrem Urteil vom 23. Oktober 2003 jedoch bereits festgestellt, dass von einer "Knappheitssituation" in diesem Sinne nicht gesprochen werden könne, wenn die Anzahl der Bewerber - wie hier - deutlich unter der Anzahl der verfügbaren Grundstücke liege. In einer solchen Situation entbehre es jeglicher sachlicher Rechtfertigung, wenn bebaubare Grundstücke entgegen der allgemeinen Zielsetzung des Wohnraumförderungsgesetzes, Bauland am Bedarf orientiert der Bevölkerung zur Verfügung zu stellen, nicht ihrer eigentlichen Zweckbestimmung zugeführt würden.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte mit der Berufung. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts stelle das Festhalten an 1999 aufgestellten Vergabekriterien keinen Ermessensfehler dar. Die Baulandbereitstellung nach dem Wohnraumförderungsgesetz solle nur denjenigen die Bildung selbstgenutzten Wohneigentums ermöglichen, die dies aus eigener Kraft nicht könnten. Fehle es an einem Bedarf oder an der Bedürftigkeit, sei es nicht normzweckwidrig und damit auch nicht ermessensfehlerhaft, wenn Mittel der sozialen Wohnraumförderung nicht verausgabt würden. Wenn das Wohnraumförderungsgesetz nunmehr ausdrücklich auch die Förderung Behinderter bezwecke, so lasse dies ihre Vergabekriterien nicht als sachwidrig erscheinen. Die von ihr aufgestellten Vergabebedingungen verwiesen zur Konkretisierung des "ausreichend bemessenen Bedarfs" in ihrer Nr. 2 auf die Wohnungsflächengrenzen des 1. Förderungsweges des 2. Wohnungsbaugesetzes. Danach sei auch ein durch Behinderungen ausgelöster Mehrbedarf zu berücksichtigen. Einen solchen Mehrbedarf löse die Behinderung der Tochter des Klägers - die zuckerkrank sei - indes nicht aus. Im Übrigen verfüge der Kläger auch unter Berücksichtigung eines etwaigen Mehrbedarfs über ein mehr als ausreichend bemessenes Eigenheim. Selbst wenn man indes den Prüfungsmaßstab des Verwaltungsgerichts für richtig erachte, so könne doch jedenfalls nicht angenommen werden, dass die Gemeinde übermäßig lange auf der Einhaltung des Bedarfskriteriums bestanden habe. Sie habe im Zuge der Ausweisung des Neubaugebiets lediglich fünf Baugrundstücke erhalten. Von diesen Baugrundstücken seien zwei bereits im Jahr 2000 verkauft worden. Ein weiteres sei im Jahr 2003 vergeben worden. Zu einem weiteren Verkauf wäre es im Jahr 2005 bekommen, wenn der Kläger nicht Widerspruch eingelegt und um gerichtlichen Eilrechtsschutz gegen die Anordnung des sofortigen Vollzugs nachgesucht hätte. Auch heute noch gebe es regelmäßig Anfragen nach Bauplätzen. Der Ortsbürgermeister weise Interessenten dann unter anderem auf die zu erwartenden Verzögerungen bei der Vergabe durch einen zu erwartenden Widerspruch des Klägers hin. Die Interessenten, die die Vergabebedingungen erfüllten, könnten indes nicht Jahre warten, bis die Vergabeentscheidung rechtskräftig sei. Die Vergabe des Bauplatzes 212 sei daher seit drei Jahren blockiert. Bei der Frage, ob sie übermäßig lang an den Vergabebedingungen festgehalten habe, sei auch zu berücksichtigen, dass nach der Vergabe des letzten freien Bauplatzes neue Bauplätze bereitgestellt werden müssten, was regelmäßig nur durch Ausweisung neuer Baugebiete möglich sei. Sie werde nach ihrem Dorfentwicklungskonzept indes auf absehbare Zeit kein Neubaugebiet ausweisen. Denn aufgrund rückläufiger Bevölkerungszahlen sei damit zu rechnen, dass es zu vermehrten Leerständen im alten Ortskern kommen werde. Es sei nicht Zweck des Wohnraumförderungsgesetzes, dieser Entwicklung Vorschub zu leisten.

Die Beklagte beantragt,

unter teilweiser Abänderung des Urteils des Verwaltungsgericht Koblenz vom 1. Dezember 2009 die Klage vollumfänglich abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Mit einer Anschlussberufung beantragt er zudem,

die Beklagte unter Abänderung des angefochtenen Urteils des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 1. Dezember 2009 sowie unter Aufhebung des Bescheides vom 15. November 2007 und des Widerspruchsbescheids von 23. März 2009 zu verpflichten, ihm - dem Kläger - entsprechend seinem Antrag von 22. März 2004 ein gemeindeeigenes Grundstück im Baugebiet ... zuzuteilen.

Die Beklagte beantragt,

die Anschlussberufung zurückzuweisen.

Der Kläger ist der Auffassung, das Vergabeermessen der Beklagten sei dahingehend reduziert, dass nur noch die Zuteilung eines Grundstücks an ihn ermessensgerecht sei. Die Beklagte halte seit 10 Jahren unverändert an ihren Vergabekriterien fest, obschon die Sach- und Rechtslage sich geändert habe. Von einer Knappheitssituation könne vorliegend beim besten Willen nicht die Rede sein. Die Aufrechterhaltung der alten Vergabekriterien diene vielmehr ausschließlich dazu, ihm die Zuweisung eines Grundstücks zu versagen. Die Beklagte verhindere so, dass er seine Wohnsituation auf die besonderen Bedürfnisse seiner schwerbehinderten und pflegebedürftigen Tochter einstellen könne. Nachdem die Beklagte bereits 2003 und 2006 gerichtlicherseits auf die Fehlerhaftigkeit ihrer Entscheidungen hingewiesen worden sei, erweise sich ihr Beharren auf der Ablehnung mittlerweile als willkürlich. Ihm stehe deshalb ein Anspruch auf Zuteilung eines Grundstücks zu.

Die Beklagte hält die Anschlussberufung für unbegründet. Selbst wenn das Festhalten am hier streitentscheidenden Bedarfskriterium ermessensfehlerhaft gewesen sein sollte, so bedeute dies noch nicht, dass alle denkbaren Vergabekriterien nur dazu führen könnten, dass dem Kläger das streitgegenständliche Grundstück zugeteilt werden müsse. Soweit der Kläger ausführe, dass sie - die Beklagte - künftig sehr wohl über ausreichend neue Bauplätze verfüge, weil im regionalen Raumordnungsplan noch unbeplante Siedlungsflächen ausgewiesen seien, verkenne er, dass die Ausweisung neuer Bauflächen - ungeachtet des Raumordnungsplans - in ihrer Planungshoheit stehe. Ihr könne auch nicht vorgeworfen werden, Hinweise aus früheren verwaltungsgerichtlichen Verfahren als nicht bindend angesehen zu haben. Eine rechtskräftige Entscheidung gebe es insoweit nicht.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die zu den Gerichtsakten gereichten Schriftsätze der Beteiligten, die beigezogenen Verwaltungsvorgänge und auf die Gerichtsakten des Verwaltungsgerichts Koblenz 6 K 1564/03.KO und 1 K 156/06.KO verwiesen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Gründe

Die Berufung der Beklagten hat Erfolg. Sie führt - unter Abänderung des angefochtenen Urteils - zur vollständigen Abweisung der Klage. Der Anschlussberufung des Klägers bleibt der Erfolg versagt.

Der Kläger hat weder einen Anspruch auf Zuteilung eines gemeindeeigenen Grundstücks im Neubaugebiet ..., noch kann er verlangen, dass die Beklagte über seinen Zuteilungsantrag vom 22. April 2004 erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts entscheidet. Der ablehnende Bescheid der Beklagten vom 15. November 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. März 2009 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 VwGO).

Bei der Bereitstellung von Bauland handeln die Gemeinden im Bereich der durch Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG - und Art. 49 Abs. 3 Satz 1 LV verbürgten kommunalen Selbstverwaltungsgarantie (vgl.BVerwGE 92, 56, 62; Heix, in: Fischer-Dieskau u. a., Wohnungsbaurecht, Bd. 1, § 4 WoFG Anm. 3). Es steht daher im Ermessen der einzelnen Gemeinde, ob und inwieweit sie in ihrem Eigentum befindliches Bauland an Private vergibt. Einen Rechtsanspruch auf Zuteilung gemeindlicher Grundstücke gibt es grundsätzlich nicht. Vielmehr hat der Einzelne - soweit sich eine Gemeinde zur Vergabe von Grundstücken entschließt - lediglich einen Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung.

Zur Eingrenzung ihres weiten Vergabeermessens kann die Gemeinde sogenannte "Vergaberichtlinien" aufstellen, an denen sie ihre Zuteilungsentscheidungen ausrichtet. Hierdurch kommt es zu einer Selbstbindung mit der Folge, dass die betreffenden Grundstücke nur nach Maßgabe der Richtlinien vergeben werden dürfen. Weicht die Gemeinde von diesen ab, so kann der hierdurch Benachteiligte eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes aus Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 17 Abs. 1 und 2 LV geltend machen (BVerwGE 8, 4, 10; 61, 15, 18; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 06.02.1996 - 7 A 10802/95.OVG - AS 26, 197, 202,; Urteil vom 15.04.1997 - 7 A 11043/96.OVG - ESOVGRP). Die Vergaberichtlinien selbst sind hingegen lediglich einer Vertretbarkeitskontrolle unterworfen. Sie können gerichtlicherseits nur beanstandet werden, wenn sich sachliche Gründe für die getroffenen Regelungen nicht finden lassen (BayVGH, Beschluss vom 17.05.1994 - 4 CE 94.914 - Umdruck, S. 3 f.; VG München, NVwZ-RR 1997, 375).

Hiervon ausgehend ist die Ablehnung des Zuteilungsantrags des Klägers durch die Beklagte nicht zu beanstanden.

Die Vergaberichtlinien der Beklagten vom 8. Dezember 1999 begegnen keinen rechtlichen Bedenken. Der in Nr. 2 der Richtlinien vorgesehene Ausschluss von Bewerbern, die bereits über ein ausreichend bemessenes Hausgrundstück verfügen, ist sachgerecht. Denn solche Bewerber sind mit Blick auf den Vergabezweck - Familien mit örtlichem Bezug durch die Bereitstellung verbilligten Baulands dauerhaft an die Gemeinde zu binden - nicht förderungswürdig. Zum einen sind Personen, die bereits über ausreichend bemessenes Wohneigentum verfügen, nicht bedürftig, so dass die Abgabe verbilligten Baulands an sie nicht gerechtfertigt ist.

Außerdem ist bei ihnen die von einer Baulandvergabe ausgehende (zusätzliche) Bindung an die Gemeinde nur gering.

Die Vergaberichtlinien sind auch nicht deshalb rechtswidrig, weil die Beklagte bei ihrer Aufstellung die Interessen behinderter Menschen vernachlässigt hätte. Die besonderen Bedürfnisse Behinderter können bei der Bemessung des angemessenen Wohnbedarfs nach Nr. 2 der Richtlinien berücksichtigt werden, wie es die Beklagte im Fall des Klägers auch getan hat. Eine darüber hinausgehende Berücksichtigung der Interessen behinderter Menschen war bei der Aufstellung der Vergaberichtlinien rechtlich nicht geboten.

Es ist auch sachlich gerechtfertigt, wenn die Beklagte an den Vergaberichtlinien weiterhin festhält, obwohl auf ihrer Grundlage bislang lediglich drei der fünf gemeindlichen Grundstücke im Neubaugebiet ... vergeben werden konnten. Die Beklagte hat nachvollziehbar dargelegt, dass sie - aufgrund rückläufiger Bevölkerungszahlen - in Zukunft voraussichtlich keine neuen Baugebiete mehr ausweisen und daher auf absehbare Zeit auch keine Möglichkeit mehr haben wird, neues Bauland zum Zwecke der Wohnbauförderung zu beschaffen. Vor diesem Hintergrund erscheint es nicht sachwidrig, wenn die Beklagte eine geringe Anzahl von Baugrundstücken zurückhält, um sie zu einem späteren Zeitpunkt an Bewerber zu vergeben, die die Vergabebedingungen erfüllen. Sie ist nicht gehalten, die beiden Baugrundstücke im Neubaugebiet ... an von ihr nicht für förderungswürdig erachtete Bewerber zu veräußern und sich damit ihrer letzten Mittel zur Wohnbauförderung zu begeben.

Dem kann der Kläger mit Erfolg auch nicht entgegenhalten, nach dem regionalen Raumordnungsplan sei der Beklagten eine Ausweisung neuer Baugebiete sehr wohl noch möglich. Ob und inwieweit Baugebiete in der Gemeinde ausgewiesen werden, liegt in der durch Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG und Art. 49 Abs. 3 Satz 1 LV geschützten Planungshoheit der Beklagten. Diese hat nachvollziehbar dargelegt, dass - mangels Bedarfs - die Ausweisung neuer Baugebiete in absehbarer Zukunft nicht in Betracht kommt.

Auch mit Blick auf die Bestimmungen des § 4 Abs. 1 und 2 WoFG ist das Festhalten der Beklagten an den Vergaberichtlinien aus dem Jahre 1999 unbedenklich. Die Beklagte ist im Verhältnis zum Kläger nicht an die Vorgaben des § 4 Abs. 1 und 2 WoFG gebunden. Die aus den Vorschriften folgenden Verpflichtungen der Gemeinden sind objektiv-rechtlicher Natur. Ansprüche Einzelner können hieraus - gemäß § 4 Abs. 4 WoFG - nicht hergeleitet werden (vgl. hierzu BT-Drucks. 14/5538, S. 43). Diese gesetzgeberische Entscheidung würde unterlaufen, erlaubte man es Einzelnen, sich im Rahmen der Vergabe gemeindlicher Grundstücke auf die Vorschrift zu berufen. Die Beklagte hat sich durch ihr Verwaltungshandeln auch nicht selbst an die Vorgaben der § 4 Abs. 1 und 2 WoFG gebunden. Vielmehr hat sie ihre Vergabeentscheidungen in der Vergangenheit ausschließlich an den Vergaberichtlinien vom 8. Dezember 1999 ausgerichtet.

Selbst wenn man indes davon ausgeht, die Beklagte sei auch im Verhältnis zum Kläger an die Vorgaben des § 4 Abs. 1 und 2 WoFG gebunden, so ist das Festhalten an den Vergaberichtlinien aus dem Jahre 1999 dennoch nicht zu beanstanden. § 4 Abs. 1 WoFG bestimmt, dass die Gemeinden und andere Hoheitsträger in ausreichendem Umfang geeignete Grundstücke als Bauland für den Wohnungsbau überlassen sollen. Nach § 4 Abs. 2 sollen die Gemeinden im Rahmen der Gesetze (unter anderem) dafür Sorge tragen, dass für den Wohnungsbau erforderliche Grundstücke bebaut werden können. Die Vorschriften beschreiben damit - in allgemeiner Form - Aufgaben der Gemeinden. Sie sind erst dann verletzt, wenn die Gemeinde diese Aufgaben völlig außer Betracht lässt und daher in der gemeindlichen Entwicklung und der Wohnraumversorgung Missstände auftreten (vgl. Heix, in: Fischer-Dieskau u. a., Wohnungsbaurecht, Bd. 1, § 4 WoFG Anm. 3.2). Hiervon kann im vorliegenden Fall nicht die Rede sein. In der Ortsgemeinde ... stehen sowohl Bauland als auch Wohnraum in ausreichendem Maße zur Verfügung. Die beiden Baugrundstücke, welche die Beklagte unter Berufung auf ihre Vergaberichtlinien aus dem Jahr 1999 zurückhält, sind daher für den Wohnungsbau nicht "erforderlich" im Sinne des § 4 Abs. 2 WoFG.

Die Beklagte hat ihre Vergaberichtlinien im Fall des Klägers auch zutreffend angewandt.

Zu Recht ist die Beklagte namentlich davon ausgegangen, dass der Beklagte bereits über ein nach seinem Bedarf ausreichendes Hausgrundstück verfügt. Gemäß Nr. 2 der Richtlinien ist die Frage, ob ein Bewerber bereits über ausreichend bemessenen Wohnraum verfügt, anhand der Wohnungsflächengrenzen des 1. Förderungsweges des 2. Wohnungsbaugesetzes zu beantworten. Nach dem damit in Bezug genommenen § 39 Zweites Wohnungsbaugesetz - II. WoBauG - ist für eine Familie mit vier Personen grundsätzlich eine Wohnfläche von 130 m² als angemessen anzusehen. Die Wohnung - die der Kläger mit seiner Ehefrau und zwei Kindern bewohnt - weist eine Wohnfläche von 166,02 m² zuzüglich weiterer 36,42 m² für Geschäftsräume auf. Sie übersteigt die genannte Wohnflächengrenze damit ganz erheblich.

Der Kläger hat auch nicht dargetan, dass die Behinderung seiner Tochter einen Flächenmehrbedarf auslöst, dem in seiner derzeitigen Wohnung nicht angemessen Rechnung getragen werden kann. Er hat im Wesentlichen vorgetragen, seine mittlerweile sechzehnjährige Tochter leide unter einer Stoffwechselerkrankung, die unter anderem mit plötzlichen, starken Schwankungen des Blutzuckerspiegels verbunden sei. Sie müsse deshalb rund um die Uhr betreut werden. Diese Aufgabe habe bislang hauptsächlich seine Frau erfüllt. Diese wolle jedoch in Zukunft wieder einer Berufstätigkeit nachgehen. In den Zeiten ihrer berufsbedingten Abwesenheit von etwa vier Stunden am Tag müsse seine Tochter von einer dritten Person betreut werden. Er wolle daher seine Schwiegereltern in sein Haus aufnehmen, was unter den derzeitigen baulichen Gegebenheiten indes nicht möglich sei.

Ein im Rahmen der Vergabebedingungen der Beklagten berücksichtigungsfähiger Flächenmehrbedarf ergibt sich aus diesem Vorbringen nicht. Der durch eine Berufstätigkeit der Ehefrau des Klägers veranlasste zusätzliche Aufwand für die Pflege der Tochter, den der Kläger geschildert hat, kann in zumutbarer Weise auch ohne Aufnahme weiterer Personen in die Familienwohnung abgedeckt werden. Mit der Pflege der Tochter kann nach den Schilderungen des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat - jedenfalls für die überschaubaren Zeiträume einer berufsbedingten Abwesenheit der Ehefrau - auch eine nicht im Haus wohnende Person betraut werden. Die vom Kläger angestrebte Aufnahme weiterer Personen und der hierdurch entstehende Flächenmehrbedarf sind daher nicht erforderlich im Sinne des § 39 Abs. 2 Nr. 2 II. WoBauG. Die Beklagte war daher nicht gehalten, dem Kläger - aus Rücksicht auf die Behinderung seiner Tochter - eines der Baugrundstücke im Neubaugebiet ... zuzuteilen.

Auch im Übrigen ist die Ablehnung des Zuteilungsantrags des Klägers nicht zu beanstanden. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die von der Beklagten genannten Ablehnungsgründe nur vorgeschoben sind, um dem Kläger ein Baugrundstück "in jedem Fall" vorzuenthalten.

Ungeachtet dessen ist der Senat aufgrund der mündlichen Verhandlung zu der Auffassung gelangt, dass erneut über eine Anpassung der Wohnsituation des Klägers im bisherigen Bestand nachgedacht werden und auch die Beklagte sich insoweit gesprächsbereit zeigen sollte.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und 2 VwGO.

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit wegen der Kosten beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 ff. ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen. Zulassungsgründe im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.